Die Grünen wollen regieren
21. November 2010Die Vision sieht so aus: Im kommenden Jahr stehen in Deutschland sechs Landtagswahlen an. Wenn es nach den Grünen geht, kommt 2011 der ersehnte Durchbruch und sie stellen den ersten grünen Regierungschef in den Ländern. "Wir haben nächstes Jahr die Chance, zum ersten Mal in der Geschichte von Bündnis90/Die Grünen, in allen 16 Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland gleichermaßen vertreten zu sein", sagte Parteichef Cem Özdemir am Sonntag (21.11.2010) zum Abschluss des Parteitages. Und in der Tat könnten mit Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg und Renate Künast in Berlin zwei Grüne erstmals die Chefs von Landesregierungen werden. Die Umfrageergebnisse liegen derzeit auf dem Niveau von Volksparteien.
Bürgerversicherung im Gesundheitswesen
Um die wachsende Fangemeinde nicht zu vergrätzen, weder mit radikalen Positionen noch mit internen Streitereien, verlief dieser dreitätige Bundesparteitag in Freiburg auch sehr ruhig und harmonisch. Höhepunkt am Sonntag war das von den rund 700 Delegierten mit großer Mehrheit beschlossenes Reformmodell für die gesetzlichen Krankenkassen. Mit einer Bürgerversicherung sollen Beiträge zur Krankenkasse auch auf Miet- und Kapitaleinnahmen sowie Gewinne erhoben werden. Mit deutlicher Mehrheit beschloss der Parteitag eine massive Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Außerdem soll die Wirtschaft wieder voll an der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung beteiligt werden, indem Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder je zur Hälfte für die Beiträge aufkommen.
Führungsduo bestätigt
Weiterhin wurde ein Konzept zur Sanierung der Gemeindefinanzen verabschiedet. Demnach soll die Gewerbesteuer auf mehr Unternehmen und Freiberufler ausgeweitet werden. Zudem sollen die Schuldenberge vieler Gemeinden mit Bundesmitteln abgebaut werden. Die Grünen wollen dafür ein Teil der Mittel aus dem Solidarpakt II umwidmen. Der Atomausstieg soll beschleunigt werden, die sieben ältesten Atomkraftwerke und das pannenanfällige AKW Krümmel will die Partei sofort stilllegen. Bis 2030 soll der Stromsektor vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt sein.
Am Tag zuvor hatten die Delegierten das Führungsduo Claudia Roth und Cem Özdemir wiedergewählt. Dabei schnitt Özdemir besser ab als Roth, er erzielte mit 88,5 Prozent 9,3 Punkte mehr als bei seiner ersten Wahl 2008. Auf die langjährige Parteichefin Roth entfielen mit 79,3 Prozent 3,4 Punkte weniger als vor zwei Jahren. Eine herbe Schlappe erlitt die 55-Jährige, als sich eine Mehrheit nach hitziger Debatte gegen Olympische Winterspiele 2018 in München und Garmisch-Partenkirchen aussprach. Das war allerdings auch der einzige Streitpunkt in einem ansonsten diszipliniert verlaufenden Parteitag.
Autorin: Pia Gram (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Thomas Grimmer