Wie steht es um Afrikas grüne Mauer?
31. März 2020Groß und grün soll sich die Mauer durch Afrika ziehen – von Senegals Küste am atlantischen Ozean bis ganz in den Osten Äthiopiens. Ein 15 Kilometer breites und 7.775 Kilometer langes Band aus Bäumen mit einem klaren Ziel: Die Sahara davon abzuhalten, sich immer weiter auf dem Kontinent auszubreiten und so Millionen von Menschen ihrer Lebensgrundlage zu berauben.
Das zumindest ist die Vision der Afrikanischen Union (AU), die die Initiative 2007 ins Leben rief. "Die große, grüne Mauer ist ein inspirierender und ehrgeiziger Versuch, eine dringende Lösung für zwei der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu finden, nämlich die Wüstenbildung und den Verlust fruchtbarer Böden", sagt Janani Vivekananda, Beraterin für Klimawandel bei adelphi, einer Denkfabrik für Klima, Umwelt und Entwicklung.
Arbeit und Einkommen gegen Landflucht
Die grüne Mauer ist mehr als nur ein Umweltprojekt: Bis zum Jahr 2030 sollen 100 Millionen Hektar derzeit unfruchtbares Land in der Sahelregion wiederhergestellt, 250 Millionen Tonnen Kohlenstoff gebunden und zehn Millionen grüne Arbeitsplätze geschaffen werden. "Es geht nicht nur darum, Bäume in der Sahelregion zu pflanzen, sondern auch darum, Themen wie Klimawandel, Dürre, Hungersnot, Konflikte, Migration und die Landverödung anzugehen", erklärt Vivekananda im DW-Interview.
"Viele Menschen bekommen durch so ein Projekt Arbeit, die Bäume bringen Früchte und Holz", sagt Klimaexperte Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group. Im Schatten des Waldes lasse sich der Boden zudem für die Landwirtschaft nutzen. "Arbeit und Einkommen zu schaffen, gehört zu den wichtigsten Maßnahmen, um Fluchtursachen in der Region zu bekämpfen."
Zurück zu traditionellen Methoden
Elf Länder würde das grüne Band durchkreuzen, so der Plan. Doch die Idee hat auch darüber hinaus Anhänger gefunden: Insgesamt 20 Staaten haben Unterstützung für das Mammut-Projekt zugesagt. So hat etwa die europäische Kommission bereits mehr als sieben Millionen Euro investiert.
Doch laut den Vereinten Nationen hat die Initiative nach etwas mehr als einer Dekade erst 15 Prozent des Ziels erreicht. „Der Fortschritt ist langsam, aber auf dem Weg haben wir einiges gelernt", so Klimaberaterin Vivekananda. So habe die Wissenschaft inzwischen gezeigt, dass eine durchgehende Mauer nicht per se eine gute Idee sei, da sonst auch dort Bäume gepflanzt würden, wo keine Menschen lebten, die die Bäume pflegen könnten. Stattdessen hätten sich lokale Initiativen gebildet, um mit traditionellen Methoden die Bäume zu erhalten, die es bereits gebe und so etwa die Versorgung mit Wasser zu sichern.
Korruption und Terrorismus lähmen
"Das Projekt ist in einigen Bereichen erfolgreich, in anderen weniger", konstatiert Klimaexperte Fell. Seit 2007 hat Angaben der UN vor allem Äthiopien große Fortschritte gemacht: Demnach hat das Land rund 15 Millionen Hektar verödete Böden wiederhergestellt. "Das liegt vor allem daran, dass Präsident Abiy Ahmed die Aufforstung ganz oben auf seine Agenda gesetzt hat", so Fell im DW-Interview. Erfolge im Kampf gegen die Wüstenbildung gibt es auch aus Nigeria zu vermelden: Dort wurden fünf Millionen Hektar Land wiederhergestellt und dabei 20.000 Jobs geschaffen. Auch in Senegal konnten mehr als 11 Millionen Bäume gepflanzt und so 25.000 Hektar Land wieder fruchtbar gemacht werden.
Anders sehe es jedoch in vielen Ländern im mittleren Afrika aus, sagt Fell. Hier laufe das Projekt weniger gut. "Der Terrorismus ist hier sehr stark und lähmt menschliche Bemühungen und Hilfsorganisationen. Auch Korruption spielt eine Rolle, wenn die Gelder lieber in die eigene Tasche von Politikern wandern, anstatt in die Projektentwicklung."
Dennoch haben in Burkina Faso, Mali und Niger etwa 120 Gemeinden gemeinsam auf mehr als 2.500 Hektar ehemals verödeten Landes einen grünen Gürtel geschaffen und dort mehr als zwei Millionen Samen und Setzlinge von fünfzig einheimischen Baumarten gepflanzt.
Afrika weit hinter dem Plan
Für konfliktgeplagte Länder wie Burkina Faso ist die mangelnde Finanzierung ein besonders großes Problem. Aktuell investiert die länderübergreifende Great-Green-Wall- Initiative aufgrund der Sicherheitslage dort nicht. Janani Vivekananda hält das für unklug: „Das Projekt wäre ein guter Weg zur Friedensschaffung. Doch wenn nur in stabile Staaten investiert wird, dann schadet das den Schwächsten, die ohne Investitionen sowohl weiteren Konflikten als auch dem Klimawandel ausgesetzt sind." Letztlich verstärke das die Ungleichheit zwischen stabilen und fragilen Staaten", so Vivekananda.
Es sei nun an Afrikas Regierungen, die Initiative als wichtigen Motor zu erkennen, fordert Hans-Josef Fell. "Aber es geht zu langsam, Afrika liegt weit hinter dem Plan, Notwendiges muss viel schneller auf den Weg gebracht werden. Dazu sind konzentrierte Aktionen in der Entwicklungszusammenarbeit und von den Regierungen vor Ort zwingend erforderlich," so Fell.
Ein reiches Mosaik unterschiedlicher Initiativen
Trotzdem glaubt der Klimaexperte, dass der grüne Traum Realität werden kann. Dies setze jedoch gewisse Grundlagen voraus, erklärt Fell: Aufklärung und Ausbildung für die Bevölkerung, sowie Geld für die ersten Maßnahmen wie die Bewässerung. Hinzu kommt, Korruption und Terrorismus zu bekämpfen. Denn das richtet die Aktivitäten der Bevölkerung massiv zu Grunde."
Sollten sich Afrikas Regierungen auf diese Schritte konzentrieren, dann könnte in zehn Jahren tatsächlich ein lebendiges Weltwunder quer durch Afrika erblühen, glaubt auch Vivekananda: „Wenn genug Arbeit in die grüne Mauer gesteckt wird, dann haben wir bald vielleicht keine durchgehende Mauer, dafür aber ein reiches Mosaik an unterschiedlichen Initiativen, die zum Lebensunterhalt und der Lebensmittelsicherheit der Menschen beitragen. Wenn dann noch Frauen und die Jugend mit einbezogen werden, dann wird die große, grüne Mauer bis 2030 ein Erfolg."