Die "Große Europäische Münzwanderung"
12. April 2002Wenn der Antwerpener Bart Crijns in seine Geldbörse guckt, dann trägt nur noch die Hälfte der 20 glänzenden Geldstücke das Porträt des belgischen Königs Albert II. Fünf Münzen im Portemonnaie des Belgiers zeigen Beatrix, Regentin der benachbarten Niederlande. Ein Fünf-Cent-Stück kommt mit deutschem Eichenlaub daher, eine Münze zu zehn Cent mit dem Brandenburger Tor. Auch Euromünzen aus Italien, Irland und Frankreich trägt Bart Crijns bei sich.
Wissenschaftliche Münzzählung
Crijns Münz-Messung ist kein Privatvergnügen. Der Antwerpener beteiligt sich als einer von rund 2750 freiwilligen Euro-Zählern an einem niederländisch-belgischen Projekt. Das Wissenschaftsmagazin Natuur & Techniek und eine Studiengruppe der Universität Amsterdam wollen damit die Verbreitung der Euro-Münzen mit ihren national unterschiedlichen Vorderseiten erkunden. Die Teilnehmer melden den Inhalt ihrer Geldbörsen mindestens einmal im Monat per E-Mail an einen zentralen Computer.
Belgien als "Euro-Einwanderungsland"
In Belgien mit seinen vier direkt angrenzenden Nachbarländern und den europäischen Institutionen kommt schon mehr als jede fünfte Münze aus dem Ausland. Reisende bringen spanische und italienische Münzen aus dem Urlaub im Süden mit, Lastwagenfahrer bezahlen ihren Kaffee an Raststätten mit Euro aus Portugal oder Griechenland, Verbraucher sorgten im kleinen Grenzverkehr mit als erste für regen Austausch. So gemischt wie im Portemonnaie von Bart Crijns geht es aber in der Regel noch nicht zu.
Euro-Schwemme aus Deutschland und Frankreich
Doch eines Tages werden die heimischen Euro in den Portemonnaies der Belgier und Niederländer deutlich in der Minderzahl sein, erwarten die Forscher. Denn von allen Geldstücken, die in der Eurozone geprägt wurden, machen die belgischen wie die niederländischen nur knapp fünf Prozent aus. Die Theoretiker vom Eurodiffusie-Projekt glauben, dass früher oder später in allen Ländern der Eurozone eine gleichmäßige Münzmischung die Kassen und Geldbörsen füllen wird.
"Die Deutschen kommen", kündigte die seriöse Brüsseler Zeitung De Standaard schon an. Denn die bevölkerungsreiche Bundesrepublik steuert 35 Prozent aller Euro- und Centmünzen in der Währungsunion bei - das Geld mit Bundesadler, Brandenburger Tor und Eichenlaub dürfte darum letztlich in allen zwölf Ländern dominieren. Umgekehrt lässt sich vermuten, dass die Durchmischung des Münzbestandes in Deutschland besonders lange dauern wird.
Sammler bremsen wandernde Euro aus
Zumal, wenn die Sammelfreude weiter andauert, von der Staatssekretär Alexander Müller aus dem deutschen Verbraucherschutzministerium gerne erzählt. Noch verwahrt mancher Euro-Fan seine ersten Exoten aus Finnland, Griechenland oder Luxemburg in der Schublade, statt sie wieder in Umlauf zu bringen. "Das Sammeln ist ein sehr interessanter Teilaspekt des Euro-Verbreitungsprozesses", bemerkt Münzforscher Jos van den Broek.
So dürfte der Gebrauch zumindest von Münzen aus den größeren Ländern Frankreich, Italien und Spanien schon bald ganz alltäglich sein. Unterdessen beobachten die Teilnehmer des Zähl-Projektes diese Entwicklung gespannt auf dessen Internet-Seite. Von der Reisewelle im kommenden Sommer erwarten sie den nächsten großen Schub. dpa/(arn)