Die Grenze der Satire?
7. April 2016Bei der Staatsanwaltschaft Mainz sind weitere Strafanzeigen eingegangen, die im Zusammenhang mit dem umstrittenen Gedicht des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan stehen. Diese betreffen namentlich nicht benannte "Verantwortliche des ZDF", teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit.
Bereits am Mittwoch hatte die Staatsanwaltschaft Mainz erklärt, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann eingeleitet hat. Etwa 20 Privatpersonen hätten Strafanzeige gegen den ZDF-Moderator gestellt. Dabei gehe es um einen möglichen Verstoß gegen Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs, der die Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten unter Strafe stellt.
Aus der Sendung gelöscht
Gegenstand der Ermittlungen ist ein Schmähgedicht, das Böhmermann in der vergangenen Woche in der Sendung "Neo Magazin Royale" vorgetragen hatte. Darin hatte der 35-jährige Satiriker den türkischen Präsidenten Erdogan mit Worten unter der Gürtellinie verunglimpft. Einleitend hatte Böhmermann angemerkt, dass eine derartige Schmähkritik in Deutschland nicht erlaubt sei. Das ZDF löschte die Passage später aus der Wiederholung der Sendung und aus der Mediathek. Das sei in Absprache mit Böhmermann geschehen, hieß es beim ZDF. Der Beitrag entspreche nicht den Ansprüchen, die der Sender an die Qualität von Satiresendungen stelle.
"Bewusst verletzend"
Bereits am Sonntag war das Schmähgedicht Gegenstand eines Telefonats von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu. Anschließend erklärte ihr Sprecher, man stimme überein, "dass es sich dabei um einen bewusst verletzenden Text handelt".
In dem Telefonat habe Merkel den hohen Wert bekräftigt, den die Bundesregierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse. Diese sei aber nicht schrankenlos. Aus der Erklärung war die Verärgerung der Kanzlerin herauszuhören, die wegen der Flüchtlingskrise derzeit mehr denn ja auf eine enge Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung angewiesen ist.
Unzulässige Einmischung der Türkei
Mit seinem Gedicht nahm Böhmermann Bezug auf das NDR-Fernsehmagazin "extra 3". Das hatte Erdogan und sein Verhältnis zur Presse- und Meinungsfreiheit in einem satirischen Lied verspottet. Daraufhin hatte die türkische Regierung den deutschen Botschafter in Ankara einbestellt und anscheinend die Löschung des Beitrags verlangt.
Mit seiner diplomatischen Intervention erntete Erdogan in Deutschland empörtes Kopfschütteln - das sei überzogen und lächerlich, hieß es einhellig in Medien und Politik. "Wir haben der türkischen Seite sehr klar kommuniziert, dass Pressefreiheit für Deutschland nicht verhandelbar ist", teilte das Auswärtige Amt nach dem Gespräch mit. Es sei nicht hinnehmbar, dass der Präsident eines anderen Landes die Einschränkung demokratischer Rechte in Deutschland verlange, weil er sich karikiert fühle, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. "Das ist absolut unhaltbar."
Auch Böhmermann reagierte mit seinem Gedicht auf diesen Vorfall - und ging dabei nach Ansicht einiger Kommentatoren zu weit. Das Gedicht sei absolut geschmacklos, die Wortwahl beleidigend, der Ton rassistisch, bemängeln Kritiker. Das ZDF-Studio im türkischen Istanbul wurde von Demonstranten mit faulen Eiern beworfen - sie forderten eine Entschuldigung.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt
Ob Böhmermanns gezielte Provokation strafrechtliche Konsequenzen haben wird, müssen nun die Gerichte klären. Laut Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs kann die Beleidigung ausländischer Staatschefs mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Wird eine "verleumderische Absicht" nachgewiesen, können sogar bis zu fünf Jahre Haft verhängt werden. Dazu müsste aber zuerst ein Strafverlangen von der Türkei beziehungsweise von Präsident Erdogan gestellt werden.
Laut Medienberichten geht das Auswärtige Amt davon aus, dass sich Böhmermann mit seinem Gedicht "wahrscheinlich strafbar" gemacht hat. Offiziell nimmt das Auswärtige Amt dazu aber keine Stellung. Es sei nicht seine Aufgabe, "juristisch zu entscheiden, ob in Einzelfällen Grenzen zwischen Kunstfreiheit und Beleidigung überschritten worden" seien. Das obliege alleine den Gerichten.