Die Gosse lauert
5. März 2007Es gibt kein Halten mehr für das französische Pärchen und den Amerikaner, als sie das Feld erblicken. Sie rennen direkt hinein in ihr Paradies. Umgeben von idyllischen, tropisch bewachsenen Bergen, stürmt das Trio das Marihuana-Feld auf einer scheinbar unbewachten Insel irgendwo in Thailand. Doch das Paradies verwandelt sich innerhalb von wenigen Minuten in eine Hölle für die drei Rucksackreisenden. Vor allem Richard, der Amerikaner, erkennt schnell, dass es kein Paradies auf Erden gibt.
Was Alex Garland in seinem Erfolgsroman "The Beach" so meisterhaft schildert - die naive, erfolglose Suche vieler Reisender nach unberührter Erde und nach einem Drogenparadies - war nie realitätsfremd. Jahrzehntelang versprachen sich zunächst Hunderte, schließlich Millionen von jungen Weltreisenden just dies von Thailand. Das Land stand seit den 1970ern für unbekümmerte Lebenslust fern des westlich-weltichen Alltags, mitsamt risikolosem Kiffen und Opiumrauchen.
Krieg gegen die kleinen Fische
Viele Jahre ging das gut, obwohl die Regierung Thailands Opium bereits 1959 verbannt hatte. Seitdem kämpft Thailand mit den Betäubungsmitteln. Leider nie erfolgreich. Die letzte Anti-Drogen-Kampagne, 2003 vom damaligen Regierungspräsidenten Thaksin Shinawatra ins Leben gerufen, artete in einen Krieg aus, bei dem mehr als 1200 Menschen von Polizisten und dem Militär umgebracht wurden. Kritisiert wurde diese Kampagne vor allem, weil sie sich gegen die kleinen Fische richtete, die Drogenhändler an den Ecken, nicht die Hintermänner.
Daher überrascht es auch nicht, dass seitdem der Drogenhandel wieder aufgeblüht ist. Thailand ist gleich doppelt betroffen. Einmal gibt es da die für das Land "neuen" Drogen - Kokain aus Südamerika, Ecstasy aus Europa und synthetische Drogen aus südostasiatischen Drogenküchen. Diese kommen besonders bei den höheren Schichten der Gesellschaft gut an. Bei einer guten Party in den Klubs für Wohlhabende darf Koks nie fehlen. Auf die Schilder, auf denen vor Drogengebrauch in den Toiletten gewarnt wird, reagiert man mit einem dämlichen Grinsen, bevor man zu zweit oder zu dritt das Klo besetzt.
Opium dank Handy
Auch Opium, angebaut vor allem in Burma, befindet sich auf dem Vormarsch. Die Schmuggler haben sich dabei weiterentwickelt, die Jäger nicht. Kaum ein Opiumsack überquert die Grenze nach Thailand auf den Rücken von Maultieren. Sie haben sich mit den internationalen Schmuglerringen kurzgeschlossen. Mit Handys und Online-Banking wird das Geschäft globalisiert. Die Volksstämme entlang der Grenze, noch immer verfangen in der traditionellen Lebensweise, können nicht viel mehr tun als ahnungslos zuzuschauen.
Thailand selbst ist nicht gerade untätig: In den letzten Jahren wurden seit zwei Jahrzehnten brachliegende Felder wieder belebt. Drogenklans unterstützen dabei die Bauern, um das Rohmaterial für Heroin anzubauen. Immer mehr junge Thais stellen sich als Drogenkuriere zu Verfügung, auf der Jagd nach schnellem Geld.
Höchstens die zahnlose Oma
Schuld daran hat auch die Drogenpolitik Thailands. Von längeren Freiheitsstrafen bis zu den legendären Razzien im Nachtleben Bangkoks bekämpft die Regierung die Drogennutzer und die kleinen Händler. In den Schulen mangelt es an Drogenaufklärung. Fast kein Teenager lernt die Gefahren von Abhängigkeit kennen - es sei denn, die Oma kaut jahrzehntelang auf Betelblättern und hat dadurch ihre Zähne verloren.
Auch an der internationalen Front hapert es. Thailand bekennt sich nicht gern schuldig. Immer wieder werden die Nachbarländer beschuldigt. Aus Burma käme das Heroin, aus Kambodscha die Pillen. Währenddessen lassen es sich die Jungen Thailands gut gehen auf Partys, trotz hoher Preise und schlechter Qualität, hohen Strafen und der Gefahr des Abrutschens in die Beschaffungskriminalität. Die Gosse lauert, dank des Versagens der Politik.