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Auf den Spuren von Ludwig II.

12. August 2011

Er war eine schillernde Persönlichkeit. Vor 125 Jahren starb König Ludwig II. unter mysteriösen Umständen. Heute profitiert vor allem der Tourismus von seinem Erbe. Und jeder hat sein eigenes Bild von ihm.

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Ludwig II.v.Bayern / Lithografie (Foto: akg images)
Bild: picture-alliance / akg-images

Je intensiver man in München und Bayern auf den Spuren von König Ludwig II. wandelt, umso vielschichtiger und mysteriöser erscheint sein Leben. Das wird in der bayrischen Landeshauptstadt vielleicht sogar noch deutlicher als an und in den drei Königschlössern Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee. Dorthin zieht es die Touristen aus aller Welt schon seit Jahren. Mit Bussen werden sie in Scharen gebracht, und viele sind erstaunt, dass die bizarren Prachtbauten tatsächlich in Stein gehauene Realität sind: "Which is the real one?" rufen vor allem verblüffte Amerikaner, die meinen, der König habe sich an den Vorbildern des Disney-Konzerns orientiert.

Schloß Neuschwanstein (Foto: Bildagentur Huber)
"Which is the real one?" - wie von Disney entworfen: Schloss Neuschwanstein.Bild: picture-alliance/Bildagentur Huber

Verhasstes München

München aber, das ist die Stadt, in der Ludwig II. 1845 geboren wurde, in der er offiziell das Zepter schwang und wo sein Leichnam liegt. München ist aber auch die Stadt, die der sensible Monarch mehr gehasst als geliebt hat, aus der er immer wieder zu entkommen versuchte. Trotzdem haben sich die Tourismus-Experten in der bayrischen Landeshauptstadt einiges einfallen lassen, um in diesem Jahr an den König zu erinnern.

Der sei schließlich ein weltweites Phänomen, meint Tourismus-Chefin Gabriele Weishäupl. Die Besucher kämen aus aller Welt, viele aus Asien, aus den Vereinigten Staaten, aber auch aus Europa. Vor allem auch aus Frankreich, war Ludwig II. doch ein großer Verehrer des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und seines absolutistischen Regierungsstils. Was ja auch im Versailles-"Nachbau" Schloss Herrenchiemsee auf fast surreale Weise deutlich wird. Das Schloss, idyllisch gelegen auf einer dicht bewaldeten Insel im Chiemsee, übertrifft in vielen Details in Pracht und Größe das französische Vorbild.

Der Nachkomme mit dem Dackel

Mit solch einer in herrlicher Natur gelegenen Pracht kann München natürlich nicht mithalten. Sicher: Die Besucher der Stadt auf den Spuren Ludwig II. werden auch in die Residenz im Herzen Münchens geführt, wo der scheue Monarch auf dem Dach des Schlosses einen gigantischen Dachgarten hat anlegen lassen, von dem leider nichts mehr steht. Und in Schloss Nymphenburg, wo Ludwig II. das Licht der Welt erblickte, kann man mit einigem Glück noch dem jetzigen Oberhaupt der Wittelsbacher, Franz Herzog von Bayern, beim Ausführen des geliebten Dackels begegnen.

Schloss Nymphenburg (Foto: AP Photo/Uwe Lein)
Romantische Kulisse: Schloss NymphenburgBild: AP

In München wird man von den kundigen Ludwig-Kennern des Tourismusamtes dafür aber zur Staatsoper geführt. Der musikbegeisterte König war zeit seines Lebens ein glühender Richard Wagner-Verehrer. Dessen Opern ließ er sich in über 200 Separatvorführungen auf der Bühne vorspielen. Fremdenführerin Gertrud Schaller erklärt den Gästen die bizarren Details: "Ludwig II. hat sich allein in die Wittelsbacher-Loge der Oper, die bis heute der Familie zur Verfügung steht, gesetzt." Soldaten hätten dann aus Gründen der besseren Akustik das "Publikum" mimen müssen. Die hätten sich auch auf keinen Fall umdrehen dürfen, der König wollte ja für sich sein, durfte nicht angeschaut werden: "Immerhin haben die Soldaten diesen 'Dienst' als Schlafdienst eintragen dürfen. Schnarchen war allerdings streng verboten", sagt Schaller.

Der verschlossene Sarkophag

Und München verfügt schließlich auch über das Grab des Königs. Der Tod des jungen Regenten am 13. Juni im Starnberger See gehört bis heute zu den großen Rätseln der bayrischen Monarchie. Warum und wie der kurz zuvor von der eigenen Regierung abgesetzte König im See gemeinsam mit seinem Psychiater Bernhard von Gudden zu Tode kam, ist bis heute nicht geklärt. Gabriele Weishäupl: "Es gibt die verschiedensten Versionen: Mord, Selbstmord, der König als Mörder. Dann: Herzinfarkt vor Aufregung, nachdem er seinen Psychiater getötet hat. Das halte ich nicht für abwegig. Die anderen Theorien sind zum Teil schon sehr weit hergeholt." Wenn man heute in München mit den Experten spricht, trifft man allerdings immer noch auch auf die verschiedensten Mutmaßungen. Das Grab zu öffnen, das wird von den Nachkommen der Wittelsbacher prinzipiell abgelehnt.

Der tote König aufgebahrt (Foto: ullstein bild)
Mythos Ludwig II bis in den TodBild: ullstein bild

Wenn man Gertrud Schaller in die Gruft der Michaelskirche im Herzen der Stadt begleitet und ihren Ausführungen lauscht, dann merkt man auch rasch, dass auch heute noch - 125 Jahren nach dem Tode des Monarchen - Historie und Mythos, Realität und Legende kaum zu unterscheiden sind. Der Tag, an dem er zu Grabe getragen wurde, erzählt Schaller, sei sehr stürmisch gewesen. Kurz nach Eintreffen des Sarges in der Michaelskirche sei ein gewaltiges Gewitter heraufgezogen: "Unter Blitz und Donner wurde König Ludwig dann zu Grab getragen. Es schlug ein Blitz ein, so dass einige Leute sogar an die Mauer der Kirche geschleudert wurden. Daraufhin erfolgte ein unwahrscheinlicher Donner."

Abseits der offiziellen Pfade

Neben diesen hochoffiziösen Ludwig-Schauplätzen kann man auch Orte abseits der viel frequentierten Touristenpfade besuchen. Die bekannte und besonders bei Homosexuellen beliebte Hotelgaststätte mit angeschlossener Sauna, "Deutsche Eiche", ist in diesen Monaten zur Ludwig II.-Kultstätte geworden. Ein weiteres Beispiel dafür, dass Ludwig-Fans gerade im konservativen Bayern aus ganz unterschiedlichen und wohl auch sehr gegensätzlichen Milieus stammen.

Andenken mit dem Bild des bayerischen Königs Ludwig II. im Schaufenster eines Andenkengeschäfts in Bayern (Foto: dpa)
Unermessliches Angebot - Souvenierladen mit Ludwig II- Artikeln.Bild: picture-alliance/dpa

Ludwig, mit der österreichischen Kaiserin Sissi befreundet, mit deren Schwester Sofie kurz verlobt, hatte sich mit zunehmendem Alter eher dem männlichen Geschlecht zugewandt. Ob das aber tatsächlich ein Zeichen von gelebter Homosexualität war - auch das bleibt eines der vielen Geheimnisse, die Ludwig II. mit ins Grab genommen hat. Doch der kunstsinnige und sensible, opernbegeisterte Regent, der Krieg und Regierungsgeschäfte verabscheute, ist in Schwulenkreisen eine feste Größe. In der Gaststätte "Deutsche Eiche" kann man eine Ludwig II-Ausstellung besuchen, auf einem großen Flachbildschirm läuft in einer Endlosschleife Luchino Viscontis Ludwig-Film mit Helmut Berger in der Titelrolle.

Für jeden etwas dabei...

So hat jede Szene, jedes Milieu in München seine ganz persönliche individuelle Anlaufstelle: die Monarchisten und bayrischen Königfans pilgern in die Residenz und zu Schloss Nymphenburg, die Musikliebhaber besuchen die Oper, die Homosexuellen Gaststätten wie die "Deutsche Eiche", die Historiker und Intellektuellen werden von einem riesigen Literaturangebot in den Buchhandlungen fast erschlagen. Für alle anderen bleiben die unzähligen Souvenierläden in der Stadt, in denen wirklich alles angeboten wird: Teller und Tassen, Sticker und T-Shirts, Schlösser in Miniaturformat, Schlüsselanhänger, Bierhumpen, Porzellanfiguren und noch vieles mehr.

Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Gudrun Stegen