Die Geheimnisse der "Angolagate-Affäre"
28. Oktober 2009Einen Tag nach seiner Verurteilung in der so genannten "Angolagate-Affäre" um illegalen Waffenhandel will Frankreichs einstiger Innenminister Charles Pasqua nicht nur das Urteil gegen ihn anfechten, er kündigt auch an, alles über die "Angolagate-Affäre" zu erzählen. In einem Interview mit RTL an diesem Mittwoch (28.10.2009) und mit "France 2" kurz nach seiner Verurteilung am Dienstag erklärte der 82-Jährige, er habe beantragt, das Verteidigungsgeheimnis aufzuheben. Alle Minister des Kabinetts Chirac, so seine Vorwürfe, hätten die näheren Umstände des Waffenhandels mit Angola während des Bürgerkriegs in den 1990er Jahren gekannt. Die Kreise, von denen Pasqua spricht, reichen bis zu Präsident Nicolas Sarkozy, der von 1993 bis 1995 Haushaltsminister war.
In dem bisherigen Prozess saßen bereits insgesamt 42 Vertreter der französischen politischen Elite der 90er Jahre auf der Anklagebank. Unter ihnen auch der Sohn des früheren französischen Staatschefs François Mitterrand, Jean-Christophe. Sein Urteil fiel jedoch recht milde aus: zwei Jahre Haft auf Bewährung und eine Geldstrafe von 375.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr Gefängnis für den 61-Jährigen gefordert. Jacques Attali, ein Berater des jetzigen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, wurde freigesprochen. Der ehemalige französische Innenminister Charles Pasqua dagegen wurde zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt. Er hat jedoch inzwischen einen Antrag eingereicht, der ihn vom Gefängnis befreit, da er als Senator Immunität genießt. Bisher ist er der einzige ehemalige Minister, der zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.
"Angolagate": Frankreichs Waffenlieferungen an Angola
Quer durch die Fraktionen waren ehemalige Politiker an der Affäre beteiligt, die in Frankreich unter dem Namen "Angolagate" Furore machte. Panzer, Hubschrauber, Kriegsschiffe und alle möglichen anderen Rüstungsgüter im Wert von 790 Millionen Dollar waren während des Bürgerkriegs mit Hilfe Frankreichs an die Regierung Angola geliefert worden, obwohl die Vereinten Nationen ein Waffenembargo gegen das afrikanische Land verhängt hatten.
Fast drei Jahrzehnte dauerte der Bürgerkrieg in Angola. Hunderttausende Menschen wurden getötet, mussten fliehen oder wurden durch Minen verstümmelt. Der Krieg endete erst 2002, als der Anführer der UNITA-Rebellen von Regierungstruppen getötet wurde.
Als Hauptverantwortliche für die illegalen Lieferungen wurden nun der Waffenhändler Pierre Falcone sowie dessen russisch-israelischer Partner Arkady Gaydamak zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Während Falcone sofort nach dem Richterspruch abgeführt wurde, befindet sich Gaydamak auf der Flucht.
Beide zahlten unter anderem großzügig Schmiergelder an Politiker, die den Waffenhandel mit Angola trotz des UN-Embargos zuließen. Charles Pasqua, der schon wegen verschiedener anderer Bestechungsfälle vor Gericht stand und dem noch in diesem Jahr weitere Verfahren bevorstehen, soll in der "Angolagate-Affäre" 450.000 Dollar eingesteckt und sich damit zum Anwalt angolanischer Interessen gemacht haben, so das Pariser Gericht. Jean-Christophe Mitterrand soll 1,7 Millionen Euro Schmiergeld - er nannte es im Prozess ein "Beratungshonorar" - dafür erhalten haben, dass er dem angolanischen Staatschef José Eduardo Dos Santos einen Kontakt zu Pierre Falcone vermittelte.
Das Gericht verurteilte Mitterrand allein wegen der Bezahlung für die Lobby-Arbeit. Von dem Vorwurf, die Waffenlieferungen nach Angola wesentlich erleichtert zu haben, sprach das Gericht ihn frei.
Falcone vermittelte Waffen vom Ostblock nach Angola
Falcone ist ein franko-brasilianischer Milliardär und Jetsetter, der bis zu dem Urteilsspruch noch in aller Welt Geschäfte machte. Er war der Hauptakteur, der - nachdem er den Kontakt zum angolanischen Staatschef hergestellt hatte -, wiederum über seinen Partner Arkady Gaydamak leicht an Militärbestände ehemaliger Ostblockstaaten herankam. Verkauft wurde das Material dann über Falcones Firma ZTS Osos in der Slowakei und über verschleierte Briefkastenfirmen in diversen Steuerparadiesen dieser Welt.
Die Rüstungsgüter gingen direkt aus den Herkunftsländern nach Angola. Sie wurden nicht aus Frankreich ausgeführt. Genau dies führte die französische Regierung immer wieder als Argument an, um den Prozess zu verhindern. Da die Waffen nicht über Frankreich transportiert worden seien, sei das französische Gericht nicht zuständig, hieß es. Doch es ist fraglich, ob nicht ganz andere Gründe gegen den Prozess sprachen: Bis heute ist Frankreich mit Angola groß im Geschäft. Der französische Energieriese Total ist Angolas zweitgrößter Ölproduzent. Erst 2007 besuchte Nicolas Sarkozy das südwestafrikanische Land - in Begleitung zahlreicher Unternehmenschefs. Der Prozess drohte die Beziehungen zu Angola, das über bedeutende Ölvorkommen sowie über Uran verfügt, zu belasten. Nun werfen die Anschuldigungen Charles Pasquas neue Fragen auf.
Autorin: Sarah Judith Hofmann (mit afp, rtr, dpa)
Redakteurin: Julia Elvers-Guyot