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Die Erde ist eine Google

Oliver Samson25. Juli 2005

Am PC um die Welt fliegen? Und das in 3D? Virtuell George W. Bushs Ranch aufs Dach spucken? Kein Problem mit Google Earth. Vor allem aber eine gigantische Geschäftsidee.

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Nur dort sein ist echter: Der Reichtstag in Berlin

Faszinierenderes hatte das Internet lange nicht mehr zu bieten: Mit dem neuen Programm Google Earth wird der PC zum digitalen Globus. Zu Beginn erscheint der blaue Planet auf dem Bildschirm, aufgenommen aus dem Weltraum. Die gute alte Erde lässt sich per Maus drehen, wie man will. Und mit einem Klick stürzt man sich an jedem gewünschten Punkt spektakulär in Richtung Oberfläche - in die Häuserschluchten Manhattans, in die verbotene Stadt Pekings oder über die turkmenische Hungersteppe. Oder eben zur Ranch des amerikanischen Präsidenten in Texas. Ein weiterer Mausklick, und man schwebt in gewünschter Höhe über die Sahara oder den Roten Platz - so niedrig, dass man dort die Autos erkennen kann.

Kriminalitätsstatistiken und Apotheken

Möglich wird die virtuelle Weltreise in allen Dimensionen durch hunderte von hoch auflösenden Luft- und Satellitenaufnahmen, die Google im Oktober beim Kauf von Keyhole übernommen hat - der Firma, die das Fernsehpublikum schon 1991 mit Sattelitenbildern von der Golfkriegsfront versorgte. Die Aufnahmen sind zwischen drei Monaten und drei Jahren alt und in zwei verschiedenen Qualitäten eingespeichert. Am besten sind die Großstädte der USA abgebildet, in weiten Teilen Deutschlands kann man hingegen nicht dem Nachbar hinter den Zaun schauen - noch nicht. Dafür lassen sich gut zwei Dutzend spezielle Sonderfunktionen zuschalten, so genannte Overlays. Zumindest für US-Großstädte lassen sich damit etwa Hotels, Restaurants, Apotheken oder auch Kriminalitätsstatistiken eines Stadtteils anzeigen. Google Earth kann aber auch Daten von Usern importieren - schon jetzt ist es beispielsweise möglich, sich zeigen lassen, welche Orte in der US-Fernsehreihe "Desperate Housewives" eine Rolle spielen.

Google Earth Screenshot Manhattan Island
Manhattan Island

"Geo-Anwendungen dieser Art sind nicht neu", sagt Jo Barger vom Computertechnik-Magazin CT. Diese Technologie wurde bisher etwa von Katasterämtern und natürlich dem Militär benutzt - und sie kostete Geld. Google Earth ist kostenlos - und "die Präsentation ist natürlich schon sexy", meint Barger. Das scheint auch die Internet-Gemeinde so zu sehen. "Die Zugriffszahlen übertreffen unsere kühnsten Träume", sagt Google-Sprecher Stefan Keuchel. "Wir mussten sogar zeitweise die Downloads beschränken." Wie viele User sich seit der Veröffentlichung bisher die Earth-Software herunter geladen haben, gibt Google nicht bekannt. "Es sind aber mehrere Millionen", sagt Keuchel.

Das große Geschäft

Doch Google Earth ist alles andere als bloße Spielerei, sondern ein gigantisches Geschäft. Web-basierte Landkarten wie Google Earth gelten auf dem heiß umkämpften Online-Werbemarkt der USA als die nächste große Möglichkeit, Milliarden zu machen. "Die Kraftsprüche aus den USA kann ich nachvollziehen", sagt Holger Maaß von der auf Internet-Studien spezialisierten Hamburger Consulting-Agentur Fittkau&Maaß. Im Grunde seien "Maps" nichts anderes als "Branchenbücher auf Drogen", meint Maaß. Der ganz große Trend in der Internet-Werbung sei die Lokalisierung: Immer punktgenauer werden dabei potenzielle Kauf-Adressen an den Kunden gebracht werden. Die Maps verbinden dabei hoch auflösende Karten punktgenau mit Internetseiten - ein potenzieller Kunde kann also nicht nur genau sehen, wo ein Hotel steht und wie es aussieht, sondern auch gleich erfahren, wie viel ein Zimmer kostet und ob es frei ist - und das global. Die Möglichkeiten der Werbung sind damit fast unbegrenzt.

Google Earth hat nun den Startschuss zum Rennen gegeben, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Microsoft will in nächster Zeit mit dem fast identischen Konzept "Virtual Earth" nachziehen. Ergänzend wurden hierfür Bilder im 45-Grad-Winkel von Flugzeugen aufgenommen. Größenverhältnisse von Landmarken wie Häusern und Bergen sollen dadurch noch plastischer abgebildet werden können. Zudem kündigt Microsoft eine noch deutlich potentere Zoom-Funktion an, die wohl die Grenzen des juristisch Machbaren ausloten wird, wenn sogar die Umrisse von Personen zu sehen sein sollten. "Virtual-Earth"-Chef Stephen Lawler ist von der revolutionären Bedeutung der Entwicklung überzeugt: Nach der Ära des Surfens, sei die des Suchens gekommen. Nun habe man die Maps - "zur realistischen Abbildung der wirklichen Welt am Computer".