Die Entzauberung der Serena W.
9. September 2018Sie wollte unbedingt gegen Serena spielen und hatte vor dem Match noch eine Nachricht für ihr Vorbild: "I love you." Doch wenn man an die Spitze will, darf man es mit der Verehrung der Heldin auf der anderen Seite nicht übertreiben. Und so machte sich die junge Japanerin Naomi Osaka, 20, am diesem Samstag im Arthur-Ashe-Stadium zu New York daran, ihr Idol vom Sockel zu holen. Und da wusste sie noch nicht, dass sie an diesem Tag ein Drama erleben würde.
Der satte Klang der Bälle
Nach 34 Minuten hatte Osaka den ersten Satz gewonnen. 6:2. Dabei war es nicht so, als hätte Serena Williams, 23-fache Grand-Slam-Siegerin, schlecht gespielt. Aber die junge Frau auf der anderen Seite ließ sich, anders als andere Gegnerinnen im Turnier, nicht vom Platz schießen. Noch ein Cross, noch eine lange Vorhand, noch ein Winkel, wieder ein Punkt für Osaka. DTB-Trainerin Barbara Rittner, die als Kommentatorin für den Sender "Eurosport" am Rand des Courts saß, erklärte zwischendurch: Allein am satten Klang der Bälle könne man merken, welche außerordentliche Qualität dieses Spiel habe.
Längst war das Arthur-Ashe-Stadium zum Hexenkessel geworden. Tennis in New York - das hatte auch an diesem Nachmittag Ortszeit nichts zu tun mit dem distinguierten Sport, dem man etwa in Wimbledon nachgeht. Jubelnde Amerikaner, die ihrer Heldin Serena hörbar jeden Punkt gönnten. Und Osaka? Blieb ruhig. Spielte weiter. Eine Partie, die man in jedem Fall zu den besten Matches des Tennisjahres 2018 zählen muss. Übrigens unter Einbeziehung der Matches, die Männer wie Rafael Nadal oder Novak Djokovic so gespielt haben.
Das unerlaubte Coaching
Doch dann passierte etwas, was der Partie nicht gerecht wurde. Männer spielten plötzliche eine Rolle: Osakas Coach, der Deutsche Sascha Bajin, hat lange als Trainigspartner im Team von Serena Frondienste geleistet. Mag sein, dass niemand seine Spielerin je besser auf die 36-jährige Williams einstellen konnte als Bajin. Und auf der anderen Seite: Star-Trainer Patrick Mouratoglou. Der Serena Williams zu Beginn des zweiten Satzes mit verdeckten Signalen zu coachen versuchte. Nach den offiziellen Regeln: Schummelei! Stuhlschiedsrichter Carlos Ramos verwarnte die Spielerin, und verwarnte sie später nochmal, als Williams aus Ärger ihren Schläger zerhackte. Williams regte sich auf und kaum wieder ab: "I'd rather loose than cheat." Ich würde hier lieber verlieren als zu schummeln. Dennoch gab es einen Punktabzug.
Möglicherweise stimmte beides. Möglicherweise hat Williams nicht geschummelt. Doch als sie den Stuhlschiedsrichter später noch beim Seitenwechsel als Lügner bezeichnete, gab es sogar einen Spielabzug zur Strafe für Williams.
Tränen in den Augen
Großer Eklat, der Oberschiedsrichter und die Supervisorin wurde gerufen. Serena Williams geriet völlig außer sich. Hatte Tränen in den Augen.
Und dann stand es schließlich 5:4 für Osaka im zweiten Satz. Die Japanerin schlug auf. Gegen Serena und ganz New York. Behielt ihre Nerven. Spielte dieses Match zu Ende. Und gewann als erste Tennisspielerin aus Japan ein Grand-Slam-Turnier. "Das ist eine der größten Überraschungen in der Tennis-Geschichte", sagte Boris Becker am "Eurosport"-Mikrofon.
Osaka gewann hochverdient. Und weinte am Ende über ihren bisher größten Erfolg. "Thank you for watching the match." Danke, dass Ihr zugesehen habt, sagte sie eingeschüchtert dem zeitweise unfairen Publikum. Und bei Serena Williams bedankte sie sich dann auch noch.
Die Unmutsäußerungen haben ein Nachspiel: Nach ihren Ausrastern muss Williams eine Geldstrafe von 17.000 US-Dollar zahlen. Das teilte der Veranstalter am Sonntag mit.