"Die Entscheidung ist enttäuschend"
17. September 2015Die US-Notenbank Fed beendet die Ära des billigen Geldes noch nicht. Der Schlüsselsatz für die Versorgung des Finanzsystems bleibt in einer Spanne von null bis 0,25 Prozent, hatten die Währungshüter am Donnerstag mitgeteilt. Obwohl nur wenige Beobachter überrascht sind, gehen einige deutsche Experten hart mit der Fed ins Gericht.
"Die Entscheidung der US-Notenbank ist enttäuschend und nicht konsequent", sagt der Leiter des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Marcel Fratzscher, und stellt der Federal Reserve kein gutes Zeugnis aus: "Die Fed hat sich vom großen Druck der Finanzmärkte beeindrucken lassen."
Ein Armutszeugnis
Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken (VÖB), Liana Buchholz, urteilt noch entschiedener: "Die amerikanische Notenbank verzögert die Zinserhöhung und spielt mit ihrer Glaubwürdigkeit." Die Zentralbank stelle der eigenen Volkswirtschaft ein Armutszeugnis aus, denn: "Obwohl die Fed eines ihrer erklärten Ziele, die Vollbeschäftigung, nahezu erreicht hat, traut sie es der US-Konjunktur noch nicht zu, eine erste Zinserhöhung zu verkraften."
Marcel Fratzscher hält die US-Konjunktur für stärker und robuster, als es die Fed zu tun scheint. Jedenfalls sei eine Nullzinspolitik nicht mehr angebracht, da "die US-Volkswirtschaft nicht mehr in der Krise ist. Wachstum, Beschäftigung und Inflationserwartungen deuten alle auf eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung in den USA hin."
Gefahr für Weltkonjunktur
Andere Beobachter bringen Verständnis für Janet Yellen auf. Bob Michele vom JPMorgan Asset Management etwa, ist "nicht überrascht. Es hätte mich schockiert, wenn die Fed ihre Zinsen angehoben hätte." Auf eine Zinserhöhung wäre "der Markt alles andere als vorbereitet gewesen."
Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) stößt ins gleiche Horn und sagt: "Eine US-Zinserhöhung zum jetzigen Zeitpunkt wäre gefährlich gewesen, weil wir vielen globalen Krisenherden ausgesetzt sind - von China bis Brasilien. Viele Schwellenländer befinden sich in einer Konjunkturkrise. Mit einer US-Zinserhöhung wäre der Kapitalabfluss aus diesen Schwellenländern noch größer als ohnehin schon."
Der Chefvolkswirt der Targobank, Otmar Lang, sieht die Fed sogar in einer Zwickmühle, sie sei "gefangen in ihrer eigenen Zinsstarre - denn eine tatsächliche Wende in der Politik des billigen Geldes könnte die Erholung am US-Immobilienmarkt ins Wanken bringen. Außerdem würde bei steigenden US-Zinsen und gleichzeitig einem Null-Zins-Kurs in der restlichen Welt der US-Dollar sehr stark an Wert gewinnen."
Die Konsequenzen seien alles andere als erfreulich, meint Lang: Die US-Exporte brächen ein und durch den einsetzenden Geldabfluss in den Schwellenländern würde dort der Konjunktur den Garaus machen. Und das werde die "gesamte Weltwirtschaft schwer in Mitleidenschaft ziehen".
"Die Unsicherheit weiter erhöht"
DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier bleibt zuversichtlich, dass die Zinsen auch einmal wieder angehoben werden können: "Die robuste Konjunktur und der verbesserte Arbeitsmarkt in den USA legen nahe, dass die Zinswende nicht außer Reichweite ist. Nach wie vor ist der Preisdruck über Lohnerhöhungen aber recht gering, so dass Eile nicht geboten ist. Irgendwann wird und muss die Zeit des billigen Geldes enden." Auch Ökonom Lang will die Zuversicht nicht verlieren: "Klar rechnen auch wir irgendwann mit einem Zinsschritt."
Ob eine Zinswende nun kommt, oder wann: Das ist für Marcel Fratzscher vom DIW nicht so entscheidend wie das schwindende Vertrauen in die Politik der amerikanischen Notenbanker: "Die größte Gefahr für die Finanzmärkte ist nicht eine Zinserhöhung der US-Notenbank, sondern eine anhaltende Unsicherheit über den geldpolitischen Kurs der USA. Die Entscheidung der US-Notenbank diese Woche hat die Unsicherheit über den künftigen geldpolitischen Kurs nicht reduziert, sondern weiter erhöht."
dk/bea (rtr/dpa)