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Intakte Beziehung

5. Oktober 2009

Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich das Verhältnis der beiden Staaten zueinander gewandelt. Aus den ehemaligen Gegnern sind Partner und Freunde geworden.

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Symbolbild: Flaggen Deutschlands und Russlands hintereinander. (Foto: AP)
Stabile Beziehungen zwischen Russland und DeutschlandBild: AP/DW

Als mit dem Rücktritt des letzten Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, am 1. Weihnachtstag 1991 auch das Ende des Ost-West-Konfliktes eingeläutet wurde, gab es auch für das deutsch-russische Verhältnis die Chance eines Neuanfangs. Dem Reformer Gorbatschow folgte Boris Jelzin als Präsident des Nachfolgestaates Russland.

"Dicke" Männerfreundschaft

Boris Jelzin und Helmut Kohl während eines Spaziergangs durch Baden-Baden im April 1997 (Foto: AP)
Männerfreundschaft I: Boris Jelzin und Helmut Kohl im April 1997Bild: AP

Während in Bonn der "Kanzler der Einheit" - Helmut Kohl - regierte, der mit Michail Gorbatschow die Modalitäten der deutschen Einheit ausgehandelt hatte, betrat mit Boris Jelzin ein zunächst unbekannter Parteifunktionär die politische Bühne in Moskau. Beide fanden schnell einen guten Draht zueinander, beide legten großen Wert auf persönliche Beziehungen in der Politik. Kohl und Jelzin stellten bis zum Ende ihrer jeweiligen Regierungszeiten ein Tandem dar, das von gegenseitigem Vertrauen gekennzeichnet war.

Bundeskanzler Gerhard Schröder, rechts, begrüßt den russischen Präsidenten Wladimir Putin im September 2005 im Bundeskanzleramt in Berlin(Foto: AP)
Männerfreundschaft II: Wladimir Putin und Gerhard Schröder im September 2005Bild: AP

Auch ihre Nachfolger pflegten enge Kontakte. Gerhard Schröder und Wladimir Putin waren zwar Politiker einer anderen Generation, aber auch sie erkannten den Wert enger persönlicher Beziehungen. Gerhard Schröder und Wladimir Putin sind auch über ihre Amtszeiten hinaus eng befreundet, und die deutsch-russische Gaspipeline wird ein dauerhaftes Zeichen ihrer Verbundenheit sein.

Sachliche Beziehungen

2005 zog Angela Merkel ins Berliner Kanzleramt ein. Sie ist die erste Ostdeutsche in diesem Amt, und das prägt auch ihren Regierungsstil gegenüber Russland. In der DDR war die Sowjetunion der "große Bruder", von dem man im "ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden" nur "siegen lernen" könne. Dass dem nicht so war, hat Angela Merkel in ihrer Biografie erlebt, so dass ihr Verhältnis zu den Machthabern im Kreml distanzierter war als bei ihren beiden Vorgängern. Aus den Männerfreundschaften wurden sachliche politische Beziehungen, die bisweilen schroffe Gegensätze aushalten mussten. Als Präsident Dimitri Medwedew am 26. August 2008 auf dem Höhepunkt der Krise im Kaukasus einen Duma-Beschluss zur Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasien unterzeichnete, sah die Bundeskanzlerin einen Bruch des Völkerrechts, der "dem Prinzip der territorialen Integrität widerspricht und deshalb absolut nicht akzeptabel" sei.

Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht den russischen Präsidenten Dimitri Medwedew in dessen Sommerresidenz in Sochi am schwarzen Meer m August 2008 (Foto: AP)
Sachliche Beziehungen: Angela Merkel und Dimitri Medwedew im August 2008 in SochiBild: AP


Verflechtungen

Derart klare Worte waren bis dahin - jedenfalls in der Öffentlichkeit - unvorstellbar. Dennoch wissen beide Seiten um die besondere Bedeutung ihrer Beziehungen. Das hat schon historische Wurzeln, denn in früheren Jarhunderten waren Zaren- und Kaiserfamilien miteinander verwandt. Der Staatsreformer Zar Peter I. ordnete zu Beginn des 18. Jahrhunderts den russischen Staat nach europäischem Vorbild, er kopierte das Wirtschaftssystem des Kontinents und führte europäische Sitten und Gebräuche in Russland ein. Seine besondere Beziehung zu den Deutschen zeigt sich unter anderem darin, dass er vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. das Bernsteinzimmer geschenkt bekam.

Aus russischer Sicht war Deutschland die Brücke nach Europa. Die Deutschen sahen sich ihrerseits oft als Vermittler zwischen Europäern und Russen. Heute haben enge wirtschaftliche Verflechtungen familiäre Beziehungen abgelöst. Geblieben ist die besondere Bedeutung der beiderseitigen Beziehungen, die auf vielfältigen Interessen beruhen, die Deutschland und Russland miteinander verbinden: Die friedliche Beilegung des Atomkonflikts mit dem Iran liegt in beiderseitigem Interesse genau wie der Wiederaufbau Afghanistans oder stabile politische Verhältnisse in den muslimisch geprägten Regionen an den Rändern Europas und Russlands.

Gemeinsam gegen die Konkurrenz

Ein Opel-Blitz - das Firmenlogo des Autobauers (Foto: AP)
Russisches Engagement in Deutschland: OpelBild: AP

Derzeit sind mehr als 4500 deutsche Firmen in Russland engagiert. Umgekehrt sind russische Firmen etwa bei Opel, Airbus und der Wardan-Werft oder über Gazprom in Deutschland aktiv. Diese intensiven wirtschaftlichen Verbindungen stabilisieren das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau und festigen zudem die Beziehungen Russlands zum europäischen Kontinent. Als der damalige russische Präsident Putin im September 2001 in Deutschland war, hob er die Gemeinsamkeiten der beiden Länder hervor, die sich so besser gegen die Konkurrenz aus asiatischen Ländern erwehren könnten.

Dialog der Zivilgesellschaften

Gemeinsamkeit demonstrieren beide Länder auch durch den "Petersberger Dialog". Diese jährlich tagende Konferenz von Vertretern der Zivilgesellschaften bemüht sich seit 2001, Projekte zu entwickeln, die das deutsch-russische Verhältnis festigen. Parallel dazu gilt für die deutsche Außenpolitik das Prinzip der "strategischen Partnerschaft". Ihr Ziel ist die Einbindung Russlands in jene internationalen Strukturen, die der Sowjetunion bis 1991 verschlossen waren.

Trotz des Dialogs der Zivilgesellschaften und des deutschen Bemühens, Russland enger in die internationalen Strukturen einzubeziehen, sind Meinungsverschiedenheiten nicht zu überhören. Während Gerhard Schröder den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen "lupenreinen Demokraten" nannte, hielt sich Angela Merkel nach dem Mord an der regimekritischen Journalistin Anna Politkowskaja am 7. Oktober 2006 mit ihrer Kritik an den innenpolitischen Verhältnissen in Russland nicht zurück. Sie verlangte unmissverständlich Aufklärung, weil "dieser Mord symbolisch zu dem Thema Pressefreiheit etwas aussagt".

Die deutsch-russischen Beziehungen bewegen sich zwischen engen wirtschaftlichen Kontakten auf der einen und kritischer Beobachtung der innenpolitischen Verhältnisse in Russland auf der anderen Seite.

Autor: Matthias von Hellfeld

Redaktion: Wim Abbink