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Die Datendetektive

Marcus Lütticke7. April 2013

Eine Geschichte wie aus einem Polit-Thriller: In einem kleinen Büro in Washington wird einem deutschen Journalisten eine Festplatte übergeben. Ein mühevolles Puzzlespiel beginnt für die ausgewählten Datenexperten.

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Ein Mann sitzt in dunklem Raum vor mehreren PCs (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der deutsche Journalist, der im März 2012 zusammen mit einer Handvoll weiterer Personen diese Festplatte überreicht bekam, ist Sebastian Mondial. Der Spezialist für Datenjournalismus wurde vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) beauftragt, an der Auswertung der riesigen Datenmenge mitzuarbeiten.

Das ICIJ wurde 1997 als Teil des Center for Public Integrity (CPI) - zu deutsch etwa: Zentrum für öffentlichen Anstand - gegründet, einer amerikanischen Organisation, die gegen Korruption und Machtmissbrauch kämpft. Finanziert wird sie durch Stiftungen und Spenden. Im CPI-Büro in der Innnenstadt von Washington ist seit Offshore-Leaks nichts mehr wie es war: "Die Telefone klingeln unaufhörlich und unsere Webseite ist schon zweimal zusammengebrochen - so viele Anfragen und Klicks hatten wir noch nie", so William Buzenberg, Direktor des CPI, im Gespräch mit der ARD. Lediglich fünf Mitarbeiter arbeiten vor Ort für das ICIJ.

Chef des Internationalen Journalistenkonsortiums ist der Australier Gerard Ryle. Anfang 2012 lädt er Sebastian Mondial ins Washingtoner Büro ein und übergibt ihm dort den Datenträger. Die Festplatte mit unzähligen E-Mails, PDF-Dateien, Tabellen und Präsentationen - insgesamt 2,5 Millionen Dokumente mit einem Speichervolumen von 260 Gigabyte - war Ryle zuvor anonym per Post zugeschickt worden.

Auswertung der Daten in Deutschland

Schon einen Tag nach dem Treffen mit Ryle ist Mondial mit seiner brisanten Fracht wieder auf dem Weg nach Deutschland. In Hamburg beginnt er umgehend mit der Aufarbeitung der Dokumente. Zunächst geht es darum, die riesige Datenmenge zu ordnen und für eine weitere Auswertung zugänglich zu machen: "Der erste Datenträger wurde nur an eine Handvoll Journalisten vergeben, die technisch versiert waren", berichtet Mondial im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Später haben wir dann in Bukarest in Rumänien eine 2.0-Version der Festplatte erstellt, in der wir die Daten, die mit Offshore-Leaks nichts zu tun hatten oder doppelt waren, herausnahmen."

Portrait von Datenjournalist Sebastian Mondial (Foto: privat)
Datenjournalist Sebastian Mondial war maßgeblich an der Auswertung der Festplatte beteiligtBild: Sebastian Mondial

Diese Version wurde dann einem größeren Kreis von Journalisten zur inhaltlichen Auswertung und Recherche zur Verfügung gestellt. Zu den Medien, die an dem Projekt beteiligt sind, gehören unter anderem die "Washington Post", der britische "Guardian" und "Le Monde" aus Frankreich. In Deutschland werten die "Süddeutsche Zeitung" und der öffentlich-rechtliche "Norddeutsche Rundfunk" (NDR) die Dokumente aus.

Strand der British Virgin Islands (Foto: picture-alliance/dpa/Jost Van Dyke)
Nicht nur schöne Strände: Die British Virgin Islands gelten als klassische Offshore-Steuer-OaseBild: picture-alliance/dpa/Jost Van Dyke

Persönliche Kontakte entscheidend

Warum gerade diese Medienhäuser in die Veröffentlichung involviert sind, hat vermutlich persönliche Gründe. Hans Leyendecker, Leitender Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, ist Mitglied beim ICIJ. Auch NDR-Journalist John Goetz soll gute Verbindungen zum ICIJ haben.

Der Fall und auch der selbstgewählte Name Offshore-Leaks rufen Erinnerungen an die Enthüllungsplattform WikiLeaks hervor. Bei genauerer Betrachtung gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. WikiLeaks hat sich nicht als Journalistenplattform verstanden, sondern hat Daten ohne weitere Recherchen ins Netz gestellt. Offshore-Leaks dagegen bereitet die Daten auf, prüft und gleicht die gewonnenen Informationen mit weiteren Quellen ab. Daniel Domscheit-Berg, ehemaliger Sprecher von WikiLeaks, der sich im Herbst 2010 mit Gründer Julian Assange überwarf, äußert sich positiv über die Vorgehensweise: "Das ist das, wo wir hin müssen: Weg vom Hype und hin zu einer professionellen und richtig strukturierten Aufbereitung von Leaks."

Keine Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden

Die Weitergabe von Informationen an Behörden schloss das ICIJ kategorisch aus. "Ich kann mir persönlich sehr gut vorstellen, dass manche Leute ärgerlich sind. Wenn man aber damit anfängt Daten weiter zu geben, zerstört man damit das Grundvertrauen zwischen Quellen und den beteiligten Journalisten", so Datenspezialist Sebastian Mondial.

Eine Frau betrachtet auf einem Bildschirm die Website eines internationalen Netzwerks für investigativen Journalismus (ICIJ) (Foto: picture alliance/APA/picturedesk.com)
Das International Consortium of Investigative Journalists will keine Daten an Behörden weitergebenBild: picture alliance/APA/picturedesk.com

Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, sieht das jedoch kritisch: "Ich finde es ein bisschen problematisch, dass diese Daten jetzt in den Händen der Medien sind. Mit dem selektiven Bekanntmachen von solchen Daten könnte man auch Politik machen", so Burghof gegenüber der DW. "Die Macht ist an der Stelle in die Hände von Journalisten geraten." Er hoffe aber, dass mit den Informationen verantwortungsvoll umgegangen werde.

Sebastian Mondial beschäftigt sich indes wieder mit anderen Themen. "Wenn man an so einem Projekt ein Jahr gearbeitet hat, muss man auch irgendwann wieder etwas Anderes machen." Er steht den Kollegen aber noch zur Verfügung, wenn seine Expertise gefragt ist. Ein neues Datenleck würde ihn jedoch durchaus reizen.