1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Briten und ihr Anti-Europakurs

Emma Wallis / db17. November 2013

Britische Politiker wie der UKIP-Chef Farage profitieren von anti-europäischen Gefühlen in der Bevölkerung. Doch der Arbeitgeberverband CBI warnt vor den teuren Folgen eines EU-Austritts Großbritanniens.

https://p.dw.com/p/1AJ6q
Nigel Farage, Vorsitzender der UKIP Partei in Großbritannien (Foto: Reuters)
Bild: Getty Images

"Euroskeptizismus" sei ein Wort, dass man auf den Fluren in Straßburg kaum auszusprechen wage, kritisierte Nigel Farage (Foto), Vorsitzender der britischen UK Independence Party (UKIP) in einer Rede vor dem Europaparlament. Für ihn sei der Euroskeptizismus dagegen eine "normale, vernünftige" Behauptung der Identität eines Landes.

"Wir wollen in einem Europa der Nationalstaaten-Demokratie leben und arbeiten. Wir wollen Handel treiben und kooperieren", so der UKIP-Vorsitzende in seiner Rede Anfang November. Doch man müsse weiterhin die eigenen Grenzen kontrollieren. Das sei die logische und vernünftige Haltung eines jeden Nationalstaates, erklärte Farage. Seine UKIP gilt als populistisch und rechtsgerichtet - aber sie ist nicht die einzige Partei, die in Großbritannien von der anti-europäischen Stimmung vieler Bürger profitiert.

Seit der damalige Premierminister Gordon Brown 2007 das denkwürdige Versprechen "Britische Jobs für britische Arbeiter" gab, nutzen rechte wie linke Politiker auf Stimmenfang die populistische, europakritische Haltung vieler Briten. Sechs Jahre später wird berichtet, der konservative Premier David Cameron habe vor Lehrlingen in einer Fabrik in Cowley erklärt, Großbritannien müsse seine Jugend so gut ausbilden, dass sie in einer globalisierten Welt konkurrieren könne und man nicht auf osteuropäische Arbeiter angewiesen sei.

"Britische Jobs für britische Arbeiter"

Heute gebe es Fabriken, "in denen die Hälfte der Belegschaft aus Polen, Litauen oder Lettland kommt", so Cameron weiter. Ab Januar 2014 soll in der EU die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren gelten - vor diesem Hintergrund haben Politiker ein leichtes Spiel, Ängste vor osteuropäischen Zuwanderern zu schüren, die den Briten die Jobs wegnehmen.

Der britische Premier David Cameron auf dem EU-Gipfel in Brüssel im Oktober 2013 (Foto: Reuters)
Für Camerons Konservative kann die Popularität der UKIP zu einem Verlust an Wählerstimmen führenBild: Reuters

Nigel Farage meint, es sei an der Zeit, "die Regierung zur Verantwortung zu ziehen", damit sie nicht behaupte, man könne an der Öffnung der britischen Grenzen für Bulgaren und Rumänen nichts ändern. Laut einer EU-Studie, so Farage weiter, gebe es "in Großbritannien um die 600.000 wirtschaftlich inaktive Osteuropäer". Der UKIP-Chef behauptet, Großbritannien zahle Kindergeld an "50.000 Kinder, die gar nicht in Großbritannien leben" und das koste die Briten eine Million Pfund pro Woche.

Sprung auf den populistischen Zug

In Zeiten von Leistungsengpässen für britische Familien tragen diese Zahlen - egal ob sie stimmen oder nicht - dazu bei, die Stimmung gegen die empfundene Bedrohung aus dem Osten anzuheizen. Zuwanderung werde zum "zentralen Thema der Europawahl 2014", prophezeit UKIP-Chef Farage. Sie sei auch das zentrale Thema, "wenn es um den Verbleib Großbritanniens in Europa geht."

Premier Cameron hadert schon lange mit dem europakritischen Flügel seiner eigenen Partei, sowie mit der zunehmenden Popularität der UKIP. Seit 2010 wird über ein Referendum diskutiert, bei dem die Briten darüber abstimmen sollen, ob ihr Land überhaupt noch Teil der Europäischen Union bleiben soll. Ein Termin dafür steht noch nicht fest, die aktuelle Regierung hat angekündigt, es werde erst "irgendwann nach 2015" dazu kommen.

Die britische Wählerschaft mache sich den Populismus zu eigen, meint Chris Howarth, der führende Stratege des einflussreichen Think Tanks "Open Europe" in London. Das sei ein Beweis für "unterschwellige Probleme": Viele Wähler seien frustriert von einzelnen Aspekten der EU, etwa "exzessiver Regulierung und den Kosten des EU-Haushalts." Außerdem liege die Beliebtheit des Populismus auch am immer geringeren Vertrauen der britischen Bevölkerung zu politischen Eliten, schreibt der britische Kommentator John McDermott in der Financial Times.

Eine Bettlerin mit einem Kinderwagen - Symbolbild Armutsmigration aus Osteuropa (Foto: epd)
Viele Briten befürchten einem Ansturm von Migranten, die auf staatliche Hilfe angewiesen sindBild: imago/epd

Gefahren eines EU-Austritts

Der britische Arbeitgeberverband CBI schwimmt gegen den Strom der weitverbreiteten Antipathie gegen Europa und alles, was die EU darstellt. In seinem Jahresbericht plädiert er für den Verbleib Großbritanniens in der EU. Laut CBI bringt die EU-Mitgliedschaft jedem britischen Haushalt jährlich bis zu 3000 britische Pfund.

Die Vorteile überwiegen die Nachteile: Der Zugang zu europäischen Märkten mit insgesamt 500 Millionen Bürgern sei ein riesiges Plus für die britische Wirtschaft, schreibt der CBI in seinem Bericht. Die Mitgliedschaft in der EU habe gleichzeitig den Ruf Großbritanniens als international führendes Finanzzentrum zementiert.

In Brüssel sei Großbritannien entgegen der allgemeinen Meinung einflussreich, erklärt CBI-Generaldirektor John Cridland. "Solange wir unsere Karten richtig ausspielen, bleibt das auch so." Der Binnenmarkt sei ein großartiger Erfolg für Großbritannien, das nur aus der EU heraus auf der Weltbühne führend sein könne, so der Verbandschef.

Cridland mahnt Reformen und eine Modernisierung des Binnenmarktes an, damit die EU "die von Mitgliedern gezogenen Grenzen erkennt und respektiert", und stellt gleichzeitig fest, dass Großbritannien "nicht am Rande des größten Handelsblocks der Welt landen kann, und alle Regeln befolgt, aber keine aufstellt."

Der CBI ist der größte Arbeitgeberverband Großbritanniens und vertritt etwa 240.000 Unternehmen. In einer CBI-Umfrage sprachen sich fast 80 Prozent von ihnen für einen Verbleib Großbritanniens in der EU aus.