Die blühende Kultur der Azteken
20. Mai 2003Die Besucher der Ausstellung, die anhand von rund 450 Exponaten die untergegangene Welt der Azteken rekonstruiert, werden von Xochipilly, dem Gott der Blumen, des Tanzes und der Dichtkunst auf einem mit Blumen verzierten Thron sitzend empfangen. Aus dem Norden des Landes waren die Azteken im 12. Jahrhundert in das Hochland von Mexiko eingewandert. Inmitten einer weiten Seenplatte legten sie ihre Hauptstadt an: dort, wo sie auf einem Kaktus einen Adler mit einer Schlange in den Krallen gesichtet hatten, wie ihr Hauptgott ihnen prophezeit hatte. Binnen kurzer Zeit haben die Azteken dann Fähigkeiten erlangt, die sie zur Großmacht Mesoamerikas werden ließen.
Die Azteken – ein kriegerisches Volk
Maria Gaida, Kuratorin der Ausstellung führt aus: "Es gibt sicher Gemeinsamkeiten mit anderen Völkern Mesoamerikas, es gab aber kein Volk, was in dem Maße sich ausgedehnt hat und sich andere Völker so untertan gemacht hat und ein solches riesiges Imperium aufgebaut hat wie die Azteken." Die Azteken hätten sich die Struktur eines Dreistädtebund zunutze gemacht und somit die politischen und die militärischen Kräfte gebündelt. Ein System von Heiratsallianzen habe zusätzlich Loyalitäten gesichert.
Die Azteken bauten Früchte an, reglementierten die allgemeine Schulpflicht und errichteten Häuser aus Stein. Vor allem aber erweiterten sie ihr strategisches Wissen und verfeinerten ihre Kriegstechnik. Denn die Azteken waren ein kriegerisches Volk, das unterworfene Regionen wirtschaftlich ausbeutete und Gefangene nahm, um sie den Göttern zu opfern.
Dem Glauben der Azteken nach, so erklärt Maria Gaida, wurde das Herz der Gefangenen den Göttern geopfert. In ihrer religiösen Vorstellung war das auch notwendig, denn einst hatten die Götter sich selbst geopfert, um das ganze kosmische Geschehen in Gang zu setzen. Nun glaubten die Azteken, es den Göttern gleich tun zu müssen, um das ganze Weltgeschehen, den ganzen Kosmos aufrecht zu erhalten.
Dieses blutige Ringen um die weitere Existenz und die nachhaltige Ehrfurcht vor den Naturgewalten dominierten auch die Kunst der Azteken. Opferblutschalen, mit feinen Reliefs verziert, Zeremonienbilder, die zeigen, wie Priester den Bauchraum Todgeweihter öffneten, um das pochende Herz zu entnehmen sowie die vielen Statuen von Kriegs-, Natur- und Fruchtbarkeitsgöttern zeugen von den hohen handwerklichen Fertigkeiten der Künstler.
Das Ende einer Ära
Am 8. November des Jahres 1519 marschierte der spanische Eroberer Hernán Cortés mit einem Trupp von höchstens 500 Mann in die aztekische Kapitale Tenochtitlán ein, deren Wohnbezirke seinerzeit einer Viertelmillion Menschen Platz boten. Der Glanz des Haupttempelbezirkes mit seinen hohen Sakralbauten überwältigte die Männer, dennoch zerstörten sie ihn innerhalb von zwei Jahren, ohne große Gegenwehr zu erfahren. Der berühmte Kalenderstein der Azteken hatte eine derartige Invasion nicht vorhergesagt.
Die Kuratorin Maria Gaida erklärt: "Die Spanier sind ja unter anderem auch gekommen, um die Leute zu christianisieren. Und das widersprach natürlich komplett der Vorstellung der Katholiken, Menschenopfer darzubringen. Und insofern mussten alle Idole und Bilderhandschriften, die sich im wesentlichen auch auf religiöse Inhalte bezogen, systematisch zerstört werden. Und es gibt auch hier in der Ausstellung Steinskulpturen, die ganz offensichtlich mutwillig zerstört worden sind. Man wollte die Götterskulpturen beseitigen."
Ganz gelungen ist das nicht. Direkt neben der Kathedrale von Mexiko-City werden noch immer Kunstwerke und Artefakte, wie zum Beispiel spektakuläre Skulpturen, Schmuck und Keramiken, ausgegraben. Dass sie in der Berliner Ausstellung nicht stumm bleiben, verdanken die Besucher den Aufzeichnungen spanischer Mönche und den schriftlichen Überlieferungen der Azteken selbst, die Geschichte und Riten jenseits der Zeitzeugnisse lebendig illustrieren.