Die Banken stecken noch in der Krise
27. Oktober 2014Nein, am Tag nach dem Stresstest sind die Finanzmärkte nicht zusammengebrochen, weil 25 der 130 geprüften Banken durchgefallen sind. Die Erleichterung darüber, dass die Ergebnisse nicht schlimmer ausgefallen sind als erwartet, währte aber auch nicht lange. Genau genommen interessierte den deutschen Aktienindex Dax der Stresstest nur eine ganze Stunde. Um zehn Uhr gab das Münchner Ifo-Institut den frisch gemessenen Index für das Geschäftsklima in Deutschland bekannt. Da er stärker als erwartet fiel, gab der Dax den anfänglichen Gewinn wieder komplett ab.
Dass der Stresstest so schnell abgehakt wurde, liegt Experten zufolge an der bedingten Aussagekraft der Ergebnisse. Vor allem der zweite Teil, bei dem Banken einer Stresssituation ausgesetzt wurden. "Wir betrachten ein Szenario, nicht mehr. Und es kann natürlich sein, dass die Krise, die kommt, ein ganz anderes Szenario ist", sagt Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Immer noch viele faule Kredite
Den ersten Teil des Stresstests, den Bilanztest, hält Martin Faust von der Frankfurt School of Finance durchaus für aussagekräftig: "Man hat sich die bestehenden Kredite angeschaut und geprüft, ob sie tatsächlich so werthaltig sind, wie sie in den Bilanzen stehen."
In Deutschland habe man vor allem die Schiffskredite und in Spanien die Immobilienkredite unter die Lupe genommen. Ergebnis: Es wurden faule Kredite in Höhe von rund 880 Milliarden Euro entdeckt - weit mehr als die Banken zugegeben haben. Für den Bankenexperten Faust bedeutet das, dass die Banken immer noch in der Krise stecken. Zwar hätten sie in den letzten Jahren mehr Eigenkapital eingesammelt und somit mehr Vorsorge für die faulen Kredite geleistet, aber diese Kredite seien immer noch da: "Das heißt, die Bonität der Schuldner ist immer noch sehr schlecht. Das heißt, ich habe immer noch viele Immobilienkredite. Ich habe immer noch viele Unternehmenskredite, die mir Sorgen bereiten", sagt Faust gegenüber der DW.
Sorgenkind Italien
Das liegt seiner Meinung nach an einem grundsätzlichen Problem in der Eurozone, dass sich die wirtschaftliche Lage in den Krisenländern nicht fundamental verbessert hat. Das gilt vor allem für das Sorgenkind Italien. Dort würde bisher kein Problem wirklich angegangen, meint Finanzexperte Burghof: "Das gilt nicht nur für den Bankensektor, das gilt auch für den Staatshaushalt, das gilt für den Arbeitsmarkt, das gilt generell für den ganzen Reformstau in diesem Land."
Es wundert daher niemanden, dass von den 25 durchgefallenen Banken neun aus Italien kommen. Dabei wurde noch gar nicht berücksichtigt, dass die gigantische Menge der italienischen Staatsanleihen mehrheitlich von den dortigen Banken gehalten wird. "Es ist so, dass die Staatsanleihen weiterhin als sicher eingestuft werden und auch nicht mit Eigenkapital zu unterlegen sind", moniert Martin Faust. Wie sicher die Staatsanleihen in der Eurozone sind, sieht man vor allem am Beispiel Griechenland. Im Frühjahr 2012 mussten Privatanleger auf die Hälfte ihrer Forderungen an Athen verzichten. Experten halten einen weiteren Schuldenschnitt für wahrscheinlich. Dann hätten vor allem die griechischen Banken ein Problem.
Mehr Bankfilialen als Bäckereien
Alle Banken in der Eurozone hätten das Problem, dass sie zu wenig Gewinn erwirtschaften, sagt Martin Faust von der Frankfurt School of Finance: "Es gibt strukturelle Probleme im Bankenbereich. Das heißt, wir haben in vielen Ländern immer noch zu viele Banken." So soll es in Deutschland mehr Bankfilialen als Bäckereien geben. Der Stresstest von der Europäischen Zentralbank ist also nur eine Momentaufnahme, mehr nicht.