Künstlerblicke auf die Elbphilharmonie
11. Februar 2017Im Januar wurde die Elbphilharmonie eröffnet. Lange schieden sich an dem neuen Konzerthaus im Hafen von Hamburg die Geister. Explodierende Baukosten und eine immer wieder verschobene Eröffnung riefen lautstarke Kritik hervor. Am 11. Januar fand dann endlich das erste Konzert in dem Gebäude statt, das nach Plänen der Schweizer Stararchitekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron errichtet wurde. Seitdem blicken die meisten Hamburger mit Stolz auf ihr neues Wahrzeichen.
Nur wenige Gehminuten entfernt sind die Deichtorhallen, in denen sich noch bis zum 1. Mai die Ausstellung "Elbphilharmonie Revisited" mit der Entstehungsgeschichte und der Architektur des Konzerthauses auseinandersetzt - und zwar in keinster Weise rückwärtsgewandt.
Im Zentrum der Arbeiten der zwölf internationalen Künstlern stehen Original-Modelle und Objekte aus dem Lager der Elbphilharmonie-Architekten. In einem gläsernen Schaukasten werden die Ideen- und Formfindungsprozesse von Jacques Herzog und Pierre de Meuron nachvollziehbar. Ausgehend davon sind in einer verschachtelten Ausstellungsarchitektur die Werke der Künstler angeordnet.
"Kanalphilharmonie": vom Mini-Konzerthaus zum Maxi-Ausstellungsstück
"Epochale Bauwerke verursachen epochale Kosten". In der Sperrholzskulptur "Kanalphilharmonie" der Künstlergruppe "Baltic Raw Org" empfängt eine freundliche Frauenstimme vom Band die Besucher. Plattenspieler drehen im Innern, schaffen die Atmosphäre eines Musikclubs, wobei zugleich Saunaduft verströmt wird. In diesen intimen Raum, so die Idee des Künstlerkollektivs, wird der Sound hineingeholt, der in der Elbphilharmonie draußen bleiben muss. Es mischen sich Audiokommentare über die Entstehungsgeschichte des Konzerthauses in die Geräuschkulisse des Hafens.
Die derzeit in den Deichtorhallen ausgestellte "Kanaphilharmonie" ist nur eine Replik und kommt trotz ihrer alles überragenden Dimension nicht an das Original heran. Denn bereits 2013 war in Hamburg auf dem Gelände der Kampnagel Fabrik eine größere Version aufgebaut, die als Bühne für Live-Performances genutzt wurde. Für den Hamburger Musiker Lars Severin, der die Ausstellung in den Deichtorhallen besucht und auch das Original kennt, verliert die aktuelle Skulptur den Bezug zum großen Vorbild. Sie wirke "einfach nur so hingestellt", sagt er.
Perfektion versus Dekonstruktivismus
Die großformatigen Fotografien der Architektur-Modelle, denen die deutsche Fotokünstlerin Candida Höfer Innen- und Außenaufnahmen der Elbphilharmonie direkt gegenüberstellt, lassen Idee und Konkretisierung in einen stummen Dialog treten. Ihre menschenleeren und noch nicht durch den Kulturbetrieb vereinnahmten Fotos sind Abbild und Ausdruck von Ästhetik und Perfektion. Der Belgier Peter Buggenhout wählte die entgegengesetzte Betrachtung. Seine raumgreifende Installation erscheint nicht ästhetisch und perfekt. Die dekonstruierte Version aus gebrauchten Industriematerialien steht im Kontrast zum perfekt konstruierten Wellenkörper der Elbphilharmonie.
Gefangen im selbstgesponnenen Netz aus Tönen
Die Installation des in Berlin lebenden argentinischen Künstlers Tomás Saraceno greift Sinn und Zweck der Elbphilharmonie auf: Dem Klang einen Raum geben. In einem dunklen, durch einen schweren Vorhang vom Trubel der Ausstellung getrennten Raum spinnt eine afrikanische Seidenspinne schwebend zwischen Metallstäben ihr riesiges Netz. Dabei werden ihre Bewegungen in Klänge übersetzt, die wiederum Vibrationen im Raum erzeugen und so kleinste Staubpartikel aufwirbeln. "Nichts", stellt Kurator Dirk Luckow fest, "kommt der Architektur der Elbphilharmonie so nahe wie das Spinnennetz."
Die menschliche Komponente der Elbphilharmonie
Wieder einen anderen Blickwinkel nimmt die venezianischen Künstlerin Monica Bonvicini ein. Sie lässt die Bauarbeiter der Elbphilharmonie zu Wort kommen. Die Handwerker schrieben in verschiedenen Sprachen ihre Eindrücke von ihrer Arbeit und dem Gebäude auf. Daraus ist die Arbeit "What does your girlfriend think about your rough Hands?" entstanden. Die minimalistisch eingerahmten Fragebögen sind für Besucherin Bea Kiwitt das eigentlich Bemerkenswerte der Ausstellung in den Deichtorhallen. Die Hamburger Werbetexterin sagt, die Antworten der Handwerker, die auch eine Erotik des Baus und des Bauens aufgreifen, seien die menschliche Komponente des monumentalen Neubaus im Hamburger Hafen.