Angst der Agenten vor Trumps Redseligkeit
11. September 2019Bereits vor seinem Amtsantritt im Januar 2017 kritisierte Donald Trump regelmäßig die US-Geheimdienste. Kaum im Amt, stellte er gar die Expertise seiner Agenten mehrfach öffentlich infrage und bedeutete, er glaube lieber denen, die sie ausspionieren sollten. Einer der größten Affronts: Die CIA war zu dem Ergebnis gekommen, dass Russland bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 dazwischengefunkt hatte. Doch nach einem Treffen mit dem russischen Präsidenten im Juli 2018 in Helsinki verkündete Trump, Putin habe ihm versichert, Russland habe damit nichts zu tun und er sehe keinen Grund, warum es doch so sein sollte.
Nun hat das angespannte Verhältnis zwischen dem US-Präsidenten und den eigenen Geheimdiensten offenbar einen weiteren Tiefpunkt erreicht. Der Sender CNN hat gemeldet, dass die CIA eine sehr wertvolle Quelle aufgeben musste: einen Spion im Kreml, also mitten in Russlands Machtzentrum.
Laut CNN habe der US-Geheimdienst befürchtet, der Präsident oder jemand anderes im Weißen Haus könnte zu sorglos mit sensiblen Informationen umgehen. Anders gesagt: Die CIA würde auf ihren besten Informanten verzichten, weil sie dem Präsidenten nicht vertrauen könne.
"Irreführende Spekulation"
Wie CNN berichtet, war ein Treffen von Trump mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow im Mai 2017 der Grund, den Agenten abzuziehen. Dabei hatte Trump offenbar Informationen mit hoher Geheimhaltungsstufe zur Sprache gebracht.
Sowohl das Weiße Haus als auch die CIA wiesen den Fernsehbericht zurück. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Stephanie Grisham, nannte die CNN-Recherchen "unzutreffend". Die Berichterstattung habe "das Potenzial, Menschen in Lebensgefahr zu bringen". Und CIA-Sprecherin Brittany Bramell nannte die Behauptung, dass der Umgang des Präsidenten mit Geheiminformationen zum mutmaßlichen Abzug eines Agenten geführt habe eine "irreführende Spekulation".
Eine Darstellung, die durch Berichte der US-Tageszeitungen "New York Times" und "Washington Post" zumindest in einem Punkt gestützt wird: Demnach hätte der Geheimdienst den Kreml-Spion schon 2016 aus Russland rausholen wollen - also bevor Trump Präsident war. Der Spion sei dazu aber erst bereit gewesen, nachdem immer mehr Medien spekuliert hatten, dass es einen Maulwurf in Moskau gebe, der der CIA wichtige Beweise für die Einmischung Russlands in die Wahlen 2016 geliefert habe.
Nachrichten, die der Präsident nicht hören will
Egal ob sich die CIA durch Trumps Treffen mit Lawrow zum Handeln gezwungen sah oder nicht: Trumps Verhältnis zu seinen Geheimdienstleuten bleibt schwierig - vor allem, wenn es um Russland geht. Suzanne Spaulding ist Expertin für Innere Sicherheit am "Center for Strategic and International Studies" (CSIS) in Washington. Aus ihrer Sicht Sorgen sich die US-Geheimdienste weniger, dass Trump Geheimnisse ausplaudert, sondern vielmehr darum, dass der Präsident ihnen keinen Glauben schenkt und eher Leuten wie Wladimir Putin traut.
Das Problem, so Spaulding, rühre daher, dass die Geheimdienste nicht immer die Nachrichten liefern, die der Präsident hören will. Das führe dazu, dass ihre Expertise nicht gefragt sei - so wie in Helsinki vor einem Jahr.
Kein Rückschlag für den Geheimdienst
Ähnlich sieht das Ian Brzezinski von der Washingtoner Denkfabrik "Atlantic Council": Trump sei "eindeutig ein Präsident, dem es nicht gefällt, wenn ihm widersprochen wird". Aber dessen - im Vergleich zu seinen Vorgängern - freundschaftlichere Haltung gegenüber Putin und die Kritik an den eigenen Geheimdiensten bedeute nicht, dass die USA nachrichtendienstlichen Tätigkeiten in Russland zurückfahren würden. "Es gibt keinerlei Anzeichen, dass Trumps Beredsamkeit zu einer Neuausrichtung unserer Geheimdienstprioritäten geführt hat, wenn es um Russland geht", sagt Brzezinski.
Laut CNN und "New York Times" hat der aus Moskau zurückbeorderte Spion jahrzehntelang die USA mit Informationen aus dem Kreml beliefert. Sein Abzug habe die CIA für russische Versuche, auch die Zwischenwahlen 2018 und die Präsidentschaftswahlen 2020 zu beeinflussen, "quasi blind gemacht".
Atlantic-Council-Experte Brzezinski warnt aber davor, diese Personalie als großen Rückschlag für den US-Geheimdienst zu bezeichnen. "Schlecht ist, dass über Dinge aus diese Operation bekannt geworden sind. Das ist für Geheimdienstarbeit nie gut." Wichtiger sei aber, dass der Kreml-Spion offenbar einige sehr gute Informationen geliefert habe.