Kleine Kunst
14. Juli 2009Pünktlich auf die Minute steht Michael Moser vor dem großen Schaufenster der Galerie D21. Kein Problem für den Ersten Vorsitzenden des Kunstvereins, schließlich wohnt er direkt um die Ecke. Doch die Tür ist verschlossen, wie immer von Montag bis Mittwoch, und der Galerist hat seinen Schlüssel verlegt. Warten also auf die anderen Mitglieder.
Zeit genug, sich im Stadtteil Lindenau, in dem D21 zu Hause ist, etwas genauer umzuschauen. Wer in Leipzig nach zeitgenössischer Kunst sucht, verirrt sich nicht unbedingt hierher. Dafür gibt es das wenige Kilometer entfernte Spinnereigelände mit seiner "Neuen Leipziger Schule“, Malerei von Neo Rauch & Co., angesagte Galerien. Dagegen ist es hier im Westen der Stadt schlicht bürgerlich.
Gleich gegenüber von D21 gibt es zwar ein Theater, daneben aber eher Alltagskultur: ein paar Drogerien, zwei Bäckerläden und auf der anderen Straßenseite eine Zoohandlung. "Wir sind vor drei Jahren bewusst hierher gegangen", erzählt der 35jährige, "weil es in diesem strukturschwachen Viertel die Chance gab, etwas Neues zu schaffen. Wir wollten ein Gegengewicht zu diesem Hype der Leipziger Schule, deshalb haben wir diesen nichtkommerziellen Kunstraum hier gegründet." Das Konzept ging auf, Lindenau entwickelt sich langsam. Wenn man ein wenig sucht, findet man in der Gegend ein halbes Dutzend weiterer, kleiner Galerien. Auch ein Verdienst der Vorreiter von D21.
Keine Miete, viel Arbeit
Nach ein paar Minuten kommt Mitstreiterin Regine Ehleiter und öffnet die Tür. Der Galerieraum ist hell, 85 Quadratmeter groß, das Licht der Abendsonne fällt durch die drei riesigen Rundbogenfenster. "Früher war das mal der Friseursalon 'Marcel', doch das ist lange her", erzählt die 24jährige Betreiberin. Das Eckhaus der Demmringstraße 21, daher der Name D21, ist ein Wächterhaus, ein altes Gründerzeitgebäude, das von den Bewohnern vor dem Verfall gerettet und hergerichtet wurde.
Die ersten Monate haben die Mitglieder damit verbracht, die Galerie auszubauen, Wände zu verputzen und alte Decken herauszureißen. "Das war ein hartes Stück Arbeit", so die Beiden, "dafür zahlen wir bis jetzt keine Miete, nur etwa 300 Euro Nebenkosten." Anders würde das nichtkommerzielle Konzept von D21 wohl auch nicht funktionieren. Der gemeinnützige Kunstverein hat etwa 30 Mitglieder, darunter sieben engagierte Mitarbeiter. "Manche Zahlen nur ihren Mitgliedsbeitrag von 30 Euro und unterstützen uns dadurch finanziell, andere bringen sich aktiv ein. Wir brauchen beides", sagt Michael Moser.
Anerkennung durch Fördergelder
Moser arbeitet als Fotograf, Ehleiter studiert Kulturwissenschaften. Die meisten Mitglieder sind Studierende – wer Zeit hat, hilft mit, organisiert, knüpft Kontakte, beaufsichtigt den Ausstellungsraum. Es gibt einen künstlerischen Leiter, der die Ausstellungen konzipiert. Etwa fünf, sechs pro Jahr schaffen sie, je nachdem, wie viel Fördergelder der Verein bekommt.
Gefördert wird die Galerie von der Stadt Leipzig und aus den Kulturtöpfen von Land und Bund. Für Michael Moser "eine Anerkennung unserer Arbeit und ein Zeichen, dass wir das hier wohl nicht so schlecht machen." Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, das Geld fließt größtenteils in die Ausstellungen. Etwa 2000 Euro kostet es, eine zu organisieren, inklusive Reise- und Transportkosten, neuer Wandfarbe, Flyer und einem Honorar für die Künstler.
Schöne große Schaufenster
Der Kunstraum lebt von internationalen Netzwerken, welche sich die jungen Galeristen in den vergangenen drei Jahre aufgebaut haben. "Bei uns werden keine eigenen Arbeiten der Mitglieder ausgestellt, sondern die junger, internationaler Künstler, die in Leipzig sonst so nicht zu sehen wären". Einzelausstellungen sind selten, häufig zeigt D21 thematische Gruppenausstellungen mehrerer Kunstschaffender.
"Unser Anspruch ist es, Kunst zu zeigen, die sonst schwer einen Platz findet", erklärt Regine Ehleiter. "Wir haben auch schon mal was verkauft, aber das ist nicht der Rede wert." Laufpublikum gibt es kaum, "die meisten im Viertel trauen sich nicht rein, selbst wenn die Tür weit offen steht. Deshalb nutzen wir die schönen, großen Schaufenster, um Öffentlichkeit herzustellen. Sie sind ein Werkzeug, um mit dem öffentlichen Raum zu kommunizieren."
Seminar für Management
Eine kommerzielle Galerie soll der Kunstraum auch in Zukunft nicht werden. Es geht nicht darum, Geld damit zu verdienen. Für Regine Ehleiter ist der Lohn ein anderer. "Ich profitiere davon, praktisch tätig zu sein. Was ich hier in den drei Jahren gelernt habe, kann mir kein Seminar in Kulturmanagement so vermitteln."
Autor: Ronny Arnold
Redaktion: Marcus Bösch