Die Amerikaner und ihre Bücher
E-Books statt Paperbacks - Amazon statt Buchhandlung. Wie steht es um die Lesekultur in den USA? DW-Reporter Rainer Traube hat auf seinem Roadtrip die Amerikaner und ihr Verhältnis zu Büchern unter die Lupe genommen.
Die Amerikaner und ihre Bücher - ein Roadtrip
"Wenn Amazon nicht gestoppt wird, erleben wir das Ende der literarischen Kultur in den USA", prophezeit der mächtige New Yorker Agent Andrew Wylie. Wie steht es um die Lesekultur? Wo wird was gelesen in den USA? Momentaufnahmen von einem kulturellen Roadtrip, der in New York beginnt und im tiefen Süden endet.
Wo New York seine Bücher kaufte
"Book Row" nannten die New Yorker die Gegend am Broadway früher. Jahrzehntelang drängte sich südlich des Union Square Buchladen an Buchladen, sieben Blocks lang. In den 60er Jahren begann der Niedergang der Buchmeile, einzig der Strand Bookstore hat überlebt.
Zwanzig Kilometer Buch
Mit gebrauchten Büchern macht der legendäre Strand Bookstore am Broadway heute Millionenumsätze. Und schreibt damit eine der wenigen Erfolgsgeschichten im US-Buchhandel. Sagenhafte 2,5 Millionen Bücher sollen hier in fast zwanzig Kilometern Regal auf Käufer warten.
Wo ist der vierte Leser?
Fifth Avenue: kleine Pause auf den Treppen vor der Public Library. Wir wissen nicht, was diese drei New Yorker gerade lesen: Tweets? Nachrichten? Kurzgeschichten? Die Zahl der Nichtleser wächst, jeder vierte US-Amerikaner greift nie zu einem Buch. Die drei anderen lesen statistisch fünf Bücher im Jahr, gedruckt oder elektronisch.
Signierstunde
Fotobücher sind ein Nischenmarkt. Der kleine Verlag Waltz Books aus Indianapolis nimmt jedes Jahr nur eine Handvoll Titel ins Programm, Werke wie die Porträts der Fotokünstlerin Keliy Anderson-Staley. Ihre anachronistische Anmutung verdanken sie der Langzeitbelichtung im aufwändigen Ferrotypie-Verfahren. Zur Signierstunde in einem New Yorker Fotomuseum kommen nur echte Kenner
Tempel für das Wissen
Sie ist die größte Bibliothek der Welt, die älteste der USA, und jeden Tag kommen zwölftausend neue Bücher und Objekte dazu. Seit 1800 wächst die Sammlung der Library of Congress auf dem Washingtoner Capitol. Grundlage war die Privatbibliothek von Präsident Jefferson. Politiker finden sich hier heute eher selten, umso bedeutender ist sie für Forscher und Wissenschaftler.
Gutenberg auf dem Capitol
Auf verschlungenen Wegen gelangte sie aus einem Schwarzwald-Kloster über Österreich auf das Capitol: Die seltene 42-zeilige Gutenberg-Bibel auf Vellum-Pergament ist eines von nur fünf komplett erhaltenen Exemplaren dieser Art. Vor über achtzig Jahren hat es die Library of Congress gekauft - heute vermutlich das wertvollste Buch der Welt.
Thriller aus dem Web
Olivia Jablonski jobbt bei Kramer Books am schicken Washingtoner Dupont Circle. Ihr aktuelles Lieblingsbuch ist der Science-Fiction Thriller "The Martian": Ein gestrandeter Astronaut muss sich allein auf dem Mars durchschlagen. Der Roman von Andy Weir fand keinen Verlag, erst Internet und Amazons Kindle machten ihn zum Bestseller. Ridley Scott verfilmt die Story jetzt.
Der letzte Gigant
Blick durchs Schaufenster in eine der 658 Filialen von Barnes & Noble. Alle anderen nationalen Ketten sind vom Markt verschwunden. Auch der letzte Handels-Gigant ist in der Defensive. Trotz kräftiger Investitionen ins digitale Buchgeschäft wachsen bei Barnes & Noble die Verluste.
Master of Divinity
Nur für ihr Master-Studium zieht Cami Alese gedruckte Bücher vor. "Da kann ich reinschreiben, Notizen machen, Zettel reinkleben". Privat liest die Theologiestudentin lieber auf ihrem Laptop oder Tablet, wie die meisten ihrer Kommilitonen am Divinity College der renommierten Duke Universität in North Carolina.
Local Heroes
"45 Prozent des Geldes, das Kunden bei uns ausgeben, bleibt in der Region. Bei Amazon sind es 0 Prozent." John, Wander, Tom und Laurin von The Regulator in Durham, North Carolina, kämpfen seit den 70ern hartnäckig gegen widrige Umstände. Früher war das Problem die Lese-Unlust in der Tabakregion. Heute ist es das Unternehmen Amazon, das schätzungsweise circa 40 Prozent des US-Buchmarkts beherrscht.
Der Buchladen als Wohnzimmer
Wenn es ein Erfolgsrezept für kleine Buchläden in den USA gibt, dann macht der Battery Park Book Exchange in Asheville, NC, alles richtig: Standort mit hohem Bildungsniveau. Konzentration auf günstige, gebrauchte Bücher. Kombination mit Café, Bistro oder Weinbar. Lange Öffnungszeiten, auch am Wochenende. So wird in Asheville aus dem Buchladen ein zweites Wohnzimmer.
Das blaue Fahrrad
Sara, Jessica und das blaue Rad. Der Buchshop an der King Street von Charleston hat sein eigenes Maskottchen. Wer antiquarische Bücher über die alte Metropole an Küste South Carolinas sucht, findet nirgends eine größere Auswahl als bei Blue Bicycle Books. Moderne Bestseller? Die beiden Mitarbeiterinnen sind sich einig: "Die Romane von Pat Conroy, unser großer Erzähler des Südens!"