1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Antarktiseis dicker als erwartet

Irene Quaile3. Dezember 2014

Neue Messungen in der Antarktis zeigen, dass das Meereis an manchen Stellen deutlich dicker ist als bisher angenommen. Ob das etwas über den Klimawandel aussagt, erklärt Meereisphysiker Stefan Hendricks im Interview.

https://p.dw.com/p/1DyAv
Antarktis (Foto: Reuters).
Bild: picture-alliance/AP Images

DW: Die erste hoch auflösende 3D-Karte der Antarktis, die mithilfe eines Unterwasserroboters erstellt wurde, zeigt, dass das Meereis dort deutlich dicker ist als bisher angenommen. Wie wichtig ist diese Entdeckung?

Eisdickenmessungen sind sehr, sehr wichtig für das Verständnis der Entwicklung der Meereisbedeckung. Das gilt sowohl für die Arktis als für die Antarktis. Und es ist relativ schwer, das großflächig zu messen. Es gibt die Möglichkeit, das mit Bohrungen zu machen, an Stellen, wo man mit dem Schiff hinkommt. Das ist aber sehr ineffektiv, weil man keine großen Flächen abdecken kann. Was man gerne hätte, ist, das Ganze mit Satelliten zu messen. Aber das wäre sehr anspruchsvoll. Man braucht sehr genaue Messungen, über Tausende Kilometer. Deshalb ist diese Art von Messung mit dem Unterwasserroboter sehr wichtig, besonders weil man auch mal unter das Eis gucken kann.

Wie zuverlässig ist denn diese neue 3D-Karte?

Stefan Hendricks (Foto: Privat).
Stefan Hendricks ist Spezialist für MeereisBild: privat

Sie ist schon sehr, sehr genau. Das einzige Problem, das man dabei hat ist, dass sich das Meereis bewegt. Also es driftet teilweise im Kilometer-pro-Stunde-Bereich. Das Unterwasserfahrzeug bewegt sich natürlich auch. Man muss aber hinterher die Messungen dem korrekten Bereich auf dem Meereis zuordnen. Von der Genauigkeit her ist das aber im Zentimeter-Bereich.

Die andere Frage ist: Wie repräsentativ sind diese Messungen für die gesamte Eisbedeckung? Es geht um eine sehr große Ausdehnung, im Bereich von mehreren hundert bis tausend Kilometern. Man hat an bestimmten Stellen dickes Eis gesehen. Ich denke, das ist auf jeden Fall auch realistisch. Es ist aber die Frage, wie repräsentativ das jetzt ist. Es hängt natürlich sehr, sehr stark davon ab, welche Scholle man sich aussucht. Es gibt da durchaus von Scholle zu Scholle größere Unterschiede. Und wenn man weiter weg geht vom Land, wo sich das Eis nicht mehr so zusammenschiebt, hat man auch nicht mehr die beobachtete Deformation, die zu diesem ganz, ganz dicken Eis führt.

Durch diese neue Studie fühlen sich manche Klimaskeptiker bestätigt. Sie sehen das dicke Eis in der Antarktis als Gegenbeweis für die globale Erwärmung. Kann man das so sehen?

Ich würde das nicht so sehen. Was die Kollegen gezeigt haben ist, dass die Eisdickenbeobachtung vom Schiff aus das dicke Eis nicht erfasst. Das ist jetzt nichts, was wirklich überraschend ist. Es ist gut, dass sie das gezeigt haben - aber im Prinzip heißt es nur, dass diese eine Beobachtungsquelle - also die Schiffsbeobachtung von der Eisdecke - mit Vorsicht zu genießen ist. Es hilft uns nur begrenzt zu verstehen, wie sich das Antarktische Meereis entwickelt.

Unzerwasserroboter SeaBed (Foto: Reuters).
Der Unterwasserroboter liefert neue Erkenntnisse über die EisdickeBild: Reuters/BAS

Trotzdem kommt die Frage auf: In der Arktis schmilzt das Meereis dramatisch, während es in der Antarktis anscheinend zunimmt. Wie kommt das?

Bei diesen Vergleichen mit der Arktis und Antarktis muss man im Kopf behalten, dass es hier eigentlich zwei komplett unterschiedliche Situationen gibt. Bei der Arktis hat man einen Ozean, umgeben von Land. In der Antarktis hat man das Land in der Mitte. Und vor allem muss man bedenken, dass die Zunahme vom Antarktischen Meereis hauptsächlich im Winter stattfindet. Während die Abnahme vom Arktischen Meereis hauptsächlich im arktischen Sommer zu sehen ist. Im arktischen Winter wäre auch die Eisbedeckung vom arktischen Eis deutlich dicker, wenn da nicht die Begrenzung durch das Land wäre. Und die Zunahme vom antarktischen Meereis hat man hauptsächlich im Winter. Das kann man unter Umständen durch die Windrichtung erklären, sodass das Eis weiter heraus getrieben wird, zum Beispiel in den Indischen Ozean. Eis wächst deutlich schneller, je dünner es ist, und wenn der Wind das Eis mehr auseinander treibt, was er in der Antarktis kann, dann bildet sich sehr schnell neues Eis.

Aber in der Regel, wenn man sich den Zyklus über das Jahr verteilt ansieht, sieht man, dass das ganze Eis im Sommer, wo es vergleichbar wäre mit der Arktis, auch fast komplett abschmilzt.

Ist die Entdeckung des dicken Eises grundsätzlich eine gute Nachricht für das Weltklima?

Es fällt mir schwer, das zu sagen. Am Ende verändert sich nur die Sichtweise auf einen Datensatz, den wir vorher benutzt haben. Man sieht, dass das Meereis in der Antarktis trotzdem im Sommer zum großen Teil verschwindet. Es könnte im Winter einen leicht kühlenden Effekt haben, aber den kann ich beim besten Willen nicht quantifizieren.

Also keine Entwarnung, was die Klimaerwärmung angeht?

Nein. Auf keinen Fall.

Stefan Hendricks ist Meereisphysiker am Alfred-Wegener Institut für Meeres- und Polarforschung in Bremerhaven.

Das Interview führte Irene Quaile.