Dialog zwischen Kosovo und Serbien gefordert
23. Juli 2010US-Außenministerin Hillary Clinton hat Serbien und das Kosovo aufgerufen, ihre Streitigkeiten beizulegen und stattdessen gemeinsam nach vorne zu blicken. Nachdem der Internationale Gerichtshof (IGH) die Rechtmäßigkeit der Loslösung von Serbien am Donnerstag (22.07.2010) bestätigte, müssten beide nun "konstruktiv zusammenarbeiten, um praktische Probleme zu lösen und das Leben der Menschen im Kosovo, Serbien und der Region zu verbessern", teilte Clinton mit. "Das Kosovo ist ein unabhängiger Staat, dessen Territorium unverletzlich ist", bekräftigte sie.
Platz in der EU
Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief die Führungen in Belgrad und Pristina auf, jetzt den Blick auf ihre europäische Integration zu richten. "Die Zukunft Serbiens und Kosovos liegt in der EU", sagte Westerwelle nach Angaben des Auswärtigen Amtes. Der FDP-Vorsitzende begrüßte die Entscheidung aus Den Haag: "Das Gutachten des IGH bestätigt unsere Rechtsauffassung, dass die Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo rechtmäßig war." Die USA und Deutschland waren unter den ersten Ländern, die die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannten.
Auch die EU-Außenministerin Catherine Ashton begrüßte die Entscheidung des Gerichtshofes und rief beide Seiten zum Dialog auf. In der Zukunft hätten sowohl Serbien als auch das Kosovo ihren Platz in der EU. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warb für einen "konstruktiven Dialog" zwischen Serbien und dem Kosovo. Nach der Bestätigung der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) sollten beide Seiten "alle Schritte vermeiden, die als provozierend gesehen werden und die Gespräche behindern könnten", sagte er.
Gespräche auf Augenhöhe
Der Außenminister des Kosovo, Skender Hyseni, sagte, es sei nun an Serbien, auf sein Land zuzugehen. Gespräche könne es aber nur als gleichberechtigte Partner geben. Sein serbischer Kollege Vuk Jeremic erklärte dagegen, Belgrad werde auch weiterhin für die Rückkehr des Kosovo in seinen Staatsverband kämpfen. "Wir werden niemals die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen", sagte er im Belgrader Fernsehen. Kritik an dem Gutachten kam auch aus Russland.
Überraschende Deutlichkeit
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte am Donnerstag die Rechtmäßigkeit der Loslösung von Serbien bestätigt. Die Richter in Den Haag erklärten in überraschender Deutlichkeit, dass die Unabhängigkeitserklärung vom Februar 2008 "das internationale Recht nicht verletzt hat". "Das internationale Recht kennt kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen", sagte der Präsident des Internationalen Gerichtshofes, Hisashi Owada bei der Verlesung des Rechtsgutachtens. Zudem habe der damalige UN-Sonderbeauftragte für das Kosovo, Finnlands Ex-Präsident Martti Ahtisaari, seinerzeit die Unabhängigkeit des Kosovo als einzigen möglichen Weg empfohlen.
Hoffen auf weitere Anerkennung
Die Einschätzung des IGH war mit Spannung erwartet worden. Zwar ist sie rechtlich für keine Seite bindend. Dennoch wurden bisher nur wenige der Entscheidungen des Gerichtshofs nicht befolgt. Die Feststellungen des IGH gelten zudem als wichtig für die Weiterentwicklung des Völkerrechts.
Das Rechtsgutachten war von der UN-Generalversammlung im Oktober 2008 auf Wunsch Serbiens in Auftrag gegeben worden. Die Regierung in Belgrad betrachtet das Kosovo noch immer als zu Serbien gehörend und hatte gehofft, der IGH würde die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sezession bekräftigen.
Insgesamt wird die Unabhängigkeit weltweit von 69 Staaten anerkannt, darunter die USA, Deutschland und 21 weitere Mitglieder der EU. Die Regierung in Pristina und ihre Unterstützer hoffen, dass nach dem IGH-Urteil noch einige Länder dazukommen.
Es geht um mehr als nur das Kosovo
Serbien hatte 1999 die Kontrolle über das Kosovo verloren. Damals beendete die NATO mit Bombenangriffen die mehr als zwei Jahre andauernden blutigen Auseinandersetzungen zwischen Serben und der mehrheitlich albanisch-stämmigen Bevölkerung in der Provinz. Das Gebiet wurde anschließend durch die UN verwaltet, die Sicherheit durch die NATO überwacht. 2008 stimmte die Bevölkerung mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit von Serbien, nachdem internationale Gespräche über die Zukunft des Kosovo gescheitert waren.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte, das Bündnis werde auch weiterhin für die Sicherheit des Kosovo sorgen. Die NATO-Truppe KFOR umfasst derzeit noch knapp 10.000 Soldaten. Größter Truppensteller ist Deutschland.
Die Stellungnahme des höchsten UN-Gerichts dürfte auch Auswirkungen auf eine ganze Reihe separatistischer Bestrebungen in der Welt haben. So hatte Russland nach dem Kaukasuskrieg im Jahre 2008 die Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens von Georgien anerkannt. Dagegen hat Georgien vor dem IGH geklagt.
Autor: Gerhard M Friese/Pia Gram (dpa, afp, apn, rtr)
Redaktion: Hajo Felten/Thomas Grimmer