DFB-Team ohne Chance gegen Österreich
21. November 2023Beide liefen nach links und dann wieder nach rechts. Sie gestikulierten wild und gaben immer wieder lautstark Anweisungen an die eigenen Spieler. Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick und Deutschlands Bundestrainer Julian Nagelsmann bewegten sich während des Länderspiels im Ernst-Happel-Stadion in Wien fast synchron in ihren Coaching-Zonen. Es wurden kein Meter verschenkt und keine Chance verpasst, Einfluss auf das Spielgeschehen zu nehmen.
Die ähnliche Art der Trainer hat einen Ursprung, denn beide kennen sich gut, sehr gut sogar. "Er arbeitet extrem akribisch, hat bei seinen Stationen viel Erfolg gehabt und auch viel verändert und bewegt", lobte Nagelsmann vor dem Spiel im ZDF Österreichs deutschen Nationaltrainer Rangnick. "Ralf zeichnet Mut aus, Dinge anzupacken, zu verändern, die ihm wichtig sind. Und er schreckt auch nicht vor unangenehmen Entscheidungen zurück." Rangnick hat den österreichischen Fußball innerhalb kürzester Zeit verändert und auf die Erfolgsspur geführt.
Kein Sieg gegen Rangnick
Und genau diese Erfolge, die das ÖFB-Team derzeit einspielt, werden beim DFB schmerzlich vermisst. Die 0:2 (0:1)-Niederlage gegen Österreich war die sechste Niederlage im elften Spiel in diesem Jahr. Insgesamt kassierte die DFB-Elf in diesem Zeitraum 22 Gegentore. Zudem war es im vierten Duell der beiden Trainer die dritte Pleite für Nagelsmann.
Die Karrieren der beiden Nationaltrainer sind seit Jahren eng miteinander verbunden. Der österreichische Bundestrainer gilt als Förderer und Lehrmeister des deutschen Nationaltrainers. Er habe mit Rangnick in seiner Karriere schon "extrem viele Berührungspunkte gehabt - in Hoffenheim, in Leipzig", erklärt Nagelsmann ihr Verhältnis.
Die lange Beziehung der beiden Trainer begann bei der TSG Hoffenheim. Dort stand Rangnick von 2006 bis Ende 2010 als Chefcoach an der Seitenlinie. Unter seiner Führung gelang dem Klub 2008 der Aufstieg in die Bundesliga. Während dieser Zeit war auch der fast 30 Jahre jüngere Nagelsmann Angestellter der Hoffenheimer. Damals trainierte er die Nachwuchsmannschaften des Vereins. Parallel dazu drückte der heutige Bundestrainer noch die Schulbank und büffelte für seine Ausbildung zum Fußballlehrer beim DFB, die er mit Bestnote abschließen konnte.
Erste Schritte im Profigeschäft
Während dieser Zeit tauschten sich Rangnick und Nagelsmann bereits regelmäßig aus. Der heute 65-Jährige habe "sehr viel Vertrauen" in ihn gehabt, verriet Nagelsmann. 2016 trat er zum ersten Mal in Rangnicks Fußstapfen und übernahm den Posten als Chefcoach bei den Hoffenheimern. Bei seiner Beförderung war er mit damals 28 Jahren der jüngste hauptamtliche Cheftrainer in der Geschichte der Bundesliga. Er übernahm die TSG als Tabellenvorletzten und sicherte dem Klub am vorletzten Spieltag den Klassenerhalt. Es war der Startschuss für Nagelsmanns Trainer-Karriere im Profibereich.
Rangnick war unterdessen weitergezogen und bei RB Leipzig in verschiedenen Rollen aktiv. Als Sportdirektor sorgte er 2019 dafür, dass Nagelsmann einen Vertrag bei RB erhielt. "Wir haben damals ein Jahr auf ihn gewartet, um ihn in Leipzig als Cheftrainer zu bekommen", sagte Rangnick im Interview mit dem MDR.
Nagelsmann fügte an: "Er hat viel dafür gekämpft, dass ich nach Leipzig komme. Ich habe versucht, seinen Weg dort weiterzugehen - ich glaube, er war ganz zufrieden." Nagelsmann schaffte mit den "Roten Bullen" auf Anhieb die Qualifikation für die Champions League. Auch weil er das von Rangnick in Leipzig entwickelte Spielsystem übernahm und weiterentwickelte.
Rangnick: "Das Unmögliche möglich machen"
Rangnick, der seit 2022 beim ÖFB tätig ist, hat den österreichischen Fußball revolutioniert - und sich ein hohes Ziel gesteckt: Er will das Land zu einem der besten Fußballteams der Welt machen. "Ich würde den österreichischen Fußball gerne dorthin bringen, wo er hingehört", sagte Rangnick bei seiner Vorstellung in Wien vor gut einem Jahr und ergänzte: "Das Unmögliche möglich machen. Das hat mich immer gereizt." Mit einem "Masterplan" soll Österreich zur Weltspitze aufschließen und dort auch bleiben. Unter anderem sollen die Nachwuchs-Nationalteams künftig nach seiner Fußballidee spielen: mutig und angriffslustig.
Rangnicks Veränderungen tragen erste Früchte: Das ÖFB-Team musste in diesem Jahr lediglich eine Niederlage einstecken und hat sich problemlos für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland qualifiziert. "Rangnick hat uns ein neues Denken beigebracht. Wir machen uns nicht mehr in die Hose", lobte Nationalspieler Christoph Baumgartner den Nationaltrainer unlängst. Baumgartner verdient sein Geld bei RB Leipzig und erzielte gegen Deutschland den Treffer zum 2:0.
Nagelsmanns DFB-Team ist als Gastgeber-Nation für die EM gesetzt, allerdings liest sich die Statistik deutlich schlechter: Nur einmal blieb die Nationalmannschaft seit dem Testspiel-Sieg gegen Oman im November 2022 ohne Gegentor. Nach der Niederlage gegen Österreich sind die Vorzeichen für eine erfolgreiche EM zur Zeit eher schlecht. "Wir müssen akzeptieren, dass es auf allen Positionen unfassbar viel Arbeit ist", räumte Nagelsmann ein und sagte mit Blick auf die erneut schwache Defensivleistung gegen Österreich: "Wir können nur erfolgreich sein, wenn wir die Zeit, in der wir verteidigen, minimieren."
Dennoch lässt sich der 36-Jährige nicht entmutigen und versucht sein - von Rangnick gelerntes (Erfolgs-)System - auch beim DFB zu etablieren. Getreu dem Motto seines Lehrmeisters will Nagelsmann das "Unmögliche möglich machen" und die DFB-Elf wieder in der Weltspitze etablieren.