DFB-Frauentrainer Hrubesch: Zuhören und zupacken
28. Oktober 2023Giulia Gwinn sagte es, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Das war auch wieder der Horst, der uns vor dem Spiel gesagt hat, dass wir uns die Olympia-Teilnahme nicht nehmen lassen", berichtete die deutsche Fußball-Nationalspielerin aus dem Innenleben des Teams nach dem souverän herausgespielten 5:1 gegen Wales in der Nations League. "Er hat uns die Gelassenheit vorgelebt und diese auch ausgestrahlt und uns damit Sicherheit und Leichtigkeit gegeben", schwärmte auch Verteidigerin Sarai Linder. Die Rede war von Horst Hrubesch, dem Interimstrainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft.
Innerhalb kürzester Zeit ist es dem mittlerweile 72 Jahre alten ehemaligen Weltklasse-Stürmer gelungen, aus einer völlig verunsicherten Mannschaft wieder ein selbstbewusstes Team zu formen. Hrubesch hatte die Mannschaft vor gut zwei Wochen von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg übernommen, die sich bis auf Weiteres krank abgemeldet hatte. Hrubesch packte an - und das ohne große Worte, sondern vielmehr mit der ihm eigenen Gelassenheit und Erfahrung. "Wir haben viel gesprochen. Für mich war es wichtig, reinzuhören", sagte der Interimscoach über seine Herangehensweise. Zuhören und zupacken sind die wichtigsten Attribute seiner Arbeit.
Kritik und schnelles Lob
Dabei ist es nicht so, dass Hrubesch seine Spielerinnen von Kritik verschont. Nach der Partie gegen Wales fand er deutliche Worte zu den Dingen auf dem Spielfeld, die ihm (noch) nicht gefallen haben. "Man muss ehrlicherweise sagen: Uns fehlt die Sicherheit. Wir lassen eine Torchance zu und kriegen den Ausgleich. Das kann es eigentlich nicht sein", analysierte Hrubesch.
Aber: Der Fußballlehrer stärkt seinen Spielerinnen fast im gleichen Atemzug auch wieder den Rücken. "Ich glaube an die Mannschaft und an die Qualität", so Hrubesch. Der Coach schafft es, seine Kritik so vorzutragen, dass sie ihm von den Spielerinnen offenbar nicht übel genommen wird. Im Gegenteil. Der substantielle Tadel scheint für die Akteurinnen Ansporn zu sein, es besser zu machen. Auch weil sie wissen, dass Hrubesch solche Krisen auch schon einmal selbst in seiner Zeit als Profi erlebt hat - und nun damit umzugehen weiß. "Mit seiner Art und Weise hat er die richtigen Worte gefunden. Er hat zwischenmenschlich ein gutes Gefühl für die Mannschaft und tut dem Team mit seiner Persönlichkeit extrem gut", sagte Gwinn.
Konzentration beibehalten
Das Fundament für eine erfolgreichere Zukunft ist damit gegossen. Nun muss es den Spielerinnen gelingen, den Fokus auf das Ziel im kommenden Sommer zu behalten. Nur der Tabellenerste zieht in das Nations-League-Finalturnier ein, bei dem Anfang 2024 zwei Tickets für die Olympischen Spiele in Paris vergeben werden.
Hrubesch weiß, dass bis zum Duell mit Dänemark (1. Dezember) nur Siege zählen. Es geht noch gegen Island und gegen die Schweiz, bis es wohl zum Endspiel gegen Dänemark kommt. "Wenn wir ein Spiel in den Sand setzen, dürfte der Kuchen gegessen sein", sagte Hrubesch zur Ausgangslage und warnt bereits vor dem nächsten Gegner: "Wir werden auf Island beißen müssen. Es muss jetzt halt einfach zusammenwachsen. Ganz einfach, darum geht es."