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Deutschland will keinen Klimaschutz light

Richard A. Fuchs 22. Januar 2014

Die EU-Kommission hat ihre Pläne für die EU-Klimaschutzziele bis 2030 vorgestellt. Sie kommen für Deutschland einer Vollbremsung beim Ausbau erneuerbarer Energien gleich - und ernten viel Kritik.

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Sigmar Gabriel - 21. Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft 2014
Bild: Euroforum/Dietmar Gust

Energie- und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) lässt keinen Zweifel daran, dass er die am Mittwoch (22.1.2014) von der EU-Kommission vorgestellten EU-Klimaschutzziele bis 2030 bislang für inakzeptabel hält. "Die Regierung ist der Überzeugung, dass wir eine Reduktion der Treibhausgase in Europa um 40 Prozent bis 2030 brauchen, als Teil einer Ziel-Trias aus Treibhausgasreduktion, Ausbau der Erneuerbaren und Energieeffizienz", sagte Gabriel auf einem Energiekongress in Berlin.

Doch just diesen klimapolitischen Dreiklang soll es nach dem Willen der EU-Kommission in der Dekade bis 2030 so nicht mehr geben. Zumindest nicht verpflichtend: Bislang galt für die 28 Mitgliedsstaaten der EU das sogenannte "20-20-20-Ziel". Bis zum Ende des Jahrzehnts soll demnach jeder Mitgliedsstaat der EU 20 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen, 20 Prozent des Energieverbrauchs durch Erneuerbare decken und die Energieeffizienz seiner Wirtschaft um 20 Prozent erhöht haben.

Nach Ansicht der EU-Kommission soll für die Weiterführung der Klimaschutzziele bis 2030 nur noch ein einziges verbindliches Ziel für die einzelnen Mitgliedsstaaten gelten: Jedes Land müsste bis zum Ende dieses Jahrzehnts seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt haben.

Von der EU festgesetzte Ausbauziele für erneuerbare Energien sowie ein verbindliches Ziel zur Energieeffizienz-Steigerung, wie von Gabriel gefordert, würden für die einzelnen Länder bis auf weiteres wegfallen.

Barroso
Mehr Freiheiten für die Mitgliedsstaaten: EU-Kommissionspräsident BarrosoBild: Reuters

Nur von einem Gemeinschaftsziel für Erneuerbare ist auf EU-Ebene noch die Rede: Die Kommission schlägt vor, dass bis 2030 europaweit mindestens 27 Prozent der genutzten Energie erneuerbar ist. "Den Mitgliedsstaaten bleibt es freigestellt, ihre eigenen Erneuerbaren-Ziele zu setzen, wenn sie das wollen", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei der Vorstellung des Entwurfs.

Verbindliche Ausbauziele für erneuerbare Energien sind Pflicht

In der jetzigen Form würde der Kommissionsentwurf damit auf die Abschaffung von zwei der drei verbindlichen EU-Klimaschutzvorgaben hinauslaufen. Echter Klimaschutz, sagte Gabriel dazu am Dienstag (21.1.2013) in Berlin, „dazu gehört für uns auch ein verbindliches Ausbauziel für erneuerbare Energien, damit wir hier in Europa ernsthaft vorankommen.“

Nach den Vorstellungen der Großen Koalition in Berlin soll in Deutschland der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix im Jahr 2025 zwischen 40 und 45 Prozent betragen, zehn Jahre später bereits bis zu 60 Prozent. Und Europa soll dem Vorreiter Deutschland folgen.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hob darauf ab, dass ein Wegfall ambitionierter Ausbauziele für Ökostrom auch eine Rolle rückwärts im Umgang mit der Kernenergie bedeuten würde. "Damit ist die Gefahr groß, dass durch die Hintertür eine Renaissance der Atomenergie ins Auge gefasst wird", sagte Hendricks im Bayrischen Rundfunk. Deutschland hatte sich nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 verpflichtet, bis zum Jahr 2022 alle Kernkraftwerke abzuschalten.

Energie in Bürgerhand: Bald kein Modell mehr für die EU?
Energie in Bürgerhand: Bald kein Modell mehr für die EU?Bild: Farys/Die Projektoren

Die Mehrheit der anderen Länder Europas hat diese Konsequenz nicht gezogen. Im Gegenteil: In Großbritannien und anderen EU-Staaten sind sogar Neubauten von Atomkraftwerken geplant. Mit dem Verzicht der EU-Kommission, strikte Vorgaben bei der Energieeffizienzsteigerung sowie bei der Erhöhung des Anteils von Ökostroms, ginge in den Augen der Umweltministerin vor allem eines verloren: der wichtige Innovationsdruck, der die Energiewirtschaft bis jetzt in Bewegung gesetzt hat.

Darf Deutschland anderen seinen Weg aufzwingen?

Deutschland kritisiert die EU-Kommission beim Klimaschutz. Für Dieter Helm, Professor für Energieforschung an der britischen Oxford-Universität ist es hingegen der richtige Moment, um die Nation der Klimavorkämpfer zu kritisieren. Helm, der anlässlich eines Energiekongresses in Berlin weilte, warf der Bundesregierung vor, den anderen Ländern mit dem Ausbauziel für Erneuerbare unnötig hohe Kosten aufzwingen zu wollen.

Der deutsche Weg sei teuer und keineswegs effizient: "Es sollte kein Ausbauziel geben. Es sollte dem Markt überlassen bleiben, was der effizienteste Weg ist, die Treibhausgasemission herunterzubringen.“ Einzige Bedingung sei es, wie jetzt auch von der EU-Kommission vorgeschlagen, ein allgemeines Oberziel für die CO2-Reduktion zu formulieren. "Aber das ist auch wirklich alles, was es braucht", argumentiert Helm. Wenn Großbritannien seine CO2-Einsparungen über Kernenergie einspielen wollte, dann sollte Europa hier technologieoffen agieren.

Großbritannien setzt auf Atomenergie. Kann die EU das verbieten?
Großbritannien setzt auf Kernenergie. Kann die EU das verbieten?Bild: picture alliance/dpa

Verbände: Laxe Vorgaben verstetigen Kohle-Boom

Bei den Umwelt- und Entwicklungsverbänden in Deutschland will man solche Gegenrede nicht hören. Was jetzt in Brüssel vorgelegt wurde, das komme einer Selbstmontage der europäischen Klimapolitik gleich. So lassen sich gleich mehrere Verbände, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der World Wide Fund For Nature (WWF), in einer Mitteilung zitieren.

Ein freiwilliges Ausbauziel für erneuerbare Energien, so die einhellige Meinung der Verbände, stütze die weitere Kohleverstromung und ihren neuerlichen Boom, nicht nur in Deutschland. Das gefährde hundertausende neuer Jobs im Bereich der Erneuerbaren-Energien-Branche und sei zudem eine fatale Botschaft für Europas Glaubwürdigkeit bei den stockenden internationalen Klimaverhandlungen.

Die Verbände sehen die deutsche Bundesregierung daher jetzt in der Pflicht, ihr ganzes Gewicht in die bevorstehenden Verhandlungen der EU-Klimaschutzziele einzubringen. Im März wollen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedsstaaten bei einem Gipfel über das Klimapaket entscheiden.