Open-Air-Singen für den Frieden
3. Oktober 2022Die beeindruckende Macht der Musik, Menschen in Zeiten des politischen Umbruchs zusammenzubringen, hat sich über Jahre und Jahrhunderte immer wieder gezeigt. In Verbindung mit dem Mauerfall 1989 haben sich sämtliche Lieder in das kollektive Gedächtnis eingebrannt - selbst wenn die Songs ursprünglich eine andere Bedeutung hatten.
Deutsche Geschichte: Erinnerung an den November 1989
Einige dieser Lieder sollen nun gemeinsam für den Frieden angestimmt werden, überall in Deutschland. Die Initiative "3. Oktober - Deutschland singt und klingt" richtet zum Tag der Deutschen Einheit ein bundesweites Offenes Singen aus. Der Verein will an die Friedliche Revolution von 1989 erinnern, als Bürgerinnen und Bürger der DDR für mehr Freiheiten auf die Straße gingen. Auf die gewaltfreien Proteste folgte der Mauerfall, schließlich kam es zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten BRD und DDR.
32 Jahre nachdem der Nationalfeiertag zum ersten Mal begangen wurde, soll in mehr als 200 Orten für den Frieden gesungen - und damit ein Zeichen für Vielfalt und Demokratie gesetzt - werden. Der Slogan der Aktion lautet "Keine Gewalt!" und ist auch als eine Positionierung gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu verstehen.
Angesichts der Kriegssituation erlebe man eine "Zeitenwende nicht für möglich gehaltenen Ausmaßes", so Bernd Oettinghaus, Leiter der Initiative "Deutschland singt und klingt". "Wir lernen wieder neu, wie wenig selbstverständlich der Zusammenhalt der Menschen ist, wie kostbar unsere Freiheitsrechte sind und wie bedroht der Frieden nach 77 Jahren auch in Europa sein kann." Man wolle nicht in Schweigen verharren, sondern der Aufforderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj folgen, der bei seiner Rede anlässlich der diesjährigen Grammy-Verleihung sagte: "Füllen Sie das Schweigen mit Musik". So stehen 13 Lieder auf dem Programm, teilweise ins Ukrainische übersetzt.
"Die Gedanken sind frei"
Das Mottolied in diesem Jahr ist "Die Gedanken sind frei", ein altes deutsches Volkslied. Erstmals um 1780 auf Flugblättern veröffentlicht, war der Text schon damals ein Ausdruck des Aufbegehrens nach Freiheit und Unabhängigkeit. Später, zur Zeit des Nationalsozialismus, soll sich die Widerstandskämpferin Sophie Scholl eines Abends im August 1942 an die Gefängnismauer gestellt und ihrem inhaftierten Vater die Melodie auf der Blockflöte vorgespielt haben. In letzter Zeit gewann das Lied wiederum dadurch an Aufmerksamkeit, dass es Gegner der Corona-Politik der Bundesregierung auf Demonstrationen sangen.
Auf dem Programm stehen auch der Westernhagen-Song "Freiheit", das Antikriegslied "Sag mir, wo die Blumen sind" und "We Shall Overcome", eine Hymne der US-Bürgerrechtsbewegung. Ebenso das israelische Volkslied "Hevenu shalom alechem", wörtlich: "Wir wollen Frieden für alle".
Netzwerk "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" beteiligt
Speziell durch das Singen in anderen Sprachen wie Ukrainisch, Russisch und Hebräisch soll ein Zeichen der Hoffnung gesetzt werden - und ein Signal gegen rassistische und soziale Ausgrenzung, so die Veranstalter. Zu den Kooperationspartnern der bundesweiten Gesangs-Aktion gehören unter anderem der Deutsche Musikrat und das Netzwerk "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".
Schirmherr der Veranstaltung ist der Bundesratspräsident und Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow. In einem Grußwort betont er: "Die Erfahrung des gemeinsamen Singens von Liedern aus ganz unterschiedlichen Sprach- und Kulturkreisen gibt ein lebendiges Beispiel vom Ideal der Einheit in Vielfalt." Die Lieder würden einen Begriff von den Werten vermitteln, derer man sich verpflichtet sehen solle.