"Deutschland ist Entwicklungsland"
26. August 2004In mehr als 20.000 deutschen Supermärkten gibt es mittlerweile fair gehandelte Produkte. Fair Trade: Das bedeutet für Bauern in Entwicklungsländern vor allem, dass sie für ihre Erzeugnisse mehr Geld bekommen als von den Großhändlern, die für Handelsketten einkaufen. Während der faire Handel weltweit wächst, kommt er in Deutschland nicht so recht voran.
Jahresumsatz sinkt
Billig-Anbieter wie Aldi, Lidl, Netto, Penny & Co bieten nicht nur sich selbst einen brutalen Verdrängungswettbewerb. Sie machen auch Händlern von Qualitätsprodukten das Leben schwer. Fast jedes zweite Lebensmittelprodukt geht mittlerweile bei einem Discounter über das Kassenlaufband. Das bekommen auch Händler von Fair-Trade-Produkten zu spüren. Ihr Jahresumsatz sank Ende der 90er-Jahre um knapp 15 Prozent und stagniert seitdem bei etwa 50 Millionen Euro jährlich. Fair gehandelter Kaffee beispielsweise kommt in Deutschland nicht über einen Marktanteil von einem Prozent hinaus. O-Saft und Süßigkeiten liegen sogar darunter.
Claudia Brück kann ihre Enttäuschung darüber kaum verbergen. Sie ist Sprecherin von TransFair, einem Verein, der nicht selbst Handel betreibt, sondern fair gehandelte Waren mit einem Gütesiegel auszeichnet: "Im fairen Handel ist Deutschland ein Entwicklungsland. Leider. In der Schweiz habe fair gehandelter Kaffee Marktanteile um acht Prozent, Orangensaft sogar fast zehn Prozent. Dort hat auch die Supermarkt-Kette Coop die ganz normalen Bananen ausgelistet. Es gibt nur noch Fair-Trade-Bananen. "Das sind Traumbedingungen, wo wir bei unserer Landschaft im Lebensmittel-Einzelhandel nicht hinkommen", sagt Brück.
Lieber billigere Produkte
Am Bekanntheitsgrad des fairen Handelssystems kann das stockende Geschäft kaum liegen. Knapp die Hälfte der Deutschen hat laut einer Studie schon einmal davon gehört. Zwar kennen sie Fair Trade und finden die Initiative gut, aber aus wirtschaftlichen Gründen kaufen sie lieber die billigeren Produkte. An den hohen Preisen kann TransFair nichts ändern. Zumal die Organisation ohnehin nur das Gütesiegel für die beteiligten Händler ausstellt und sie kontrolliert. Der Verein kann lediglich immer wieder darauf hinweisen, dass der Aufpreis den Produzenten in den Entwicklungsländern zugute kommt.
So zum Beispiel in einer Region in Ghana, wo laut Brück bereits 30.000 Menschen von dem Fair-Trade-System profitieren. Dort wurde in einem Dorf ein Motor gekauft, mit dem geerntete Palmkerne zu Seife verarbeitet werden. "Früher musste jeder Palmkern mit einem Stein zerschlagen werden", erzählt Brück. "Heute können die Menschen dort den Motor anwerfen und dann werden die Kerne zerstoßen. Daraus kann dann diese Seife gekocht werden. Die 25 Frauen des Dorfes können jetzt die Seife jetzt regional anbieten, nicht nur für den Eigenbedarf." Bezahlt wurde der Motor mit Einnahmen aus dem fairen Handel. Dies seien zwar nur kleine Schritte, fügt Brück hinzu. Ihre Wirkung sehe man aber, wenn man zum Vergleich in andere Dörfer schaue, wo der faire Handel noch nicht angekommen sei. Damit sich auch dort die Lage bessert, will TransFair nicht nur in den Entwicklungsländern weiter für den fairen Handel werben, sondern auch in Deutschland.