Deutschland gedenkt der Opfer des Anschlags von Hanau
19. Februar 2022Der Täter von Hanau wollte gezielt Personen mit ausländischen Wurzeln töten. Am Abend des 19. Februar 2020 erschoss er an sechs Tatorten in der hessischen Stadt acht Männer und eine Frau. Sechs Menschen verletzte er. Danach fuhr der 43-Jährige nach Hause, tötete seine Mutter und sich selbst.
Faeser kündigt entschlossenes Vorgehen gegen Rechtsextremismus an
Der rassistisch motivierte Anschlag löste bundesweit Entsetzen aus. Am zweiten Jahrestag fand auf dem Hauptfriedhof in Hanau eine zentrale Gedenkstunde statt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte dabei eine "lückenlose und transparente Aufklärung aller Hintergründe dieses entsetzlichen Anschlags" und ein entschlossenes Vorgehen gegen Rechtsextremismus an. Dessen Bekämpfung habe für sie "oberste Priorität".
"Was ihnen angetan wurde, zerreißt mir das Herz", sagte Faeser an die Familien der Ermordeten gerichtet. "Wenn der Attentäter Hanau spalten wollte, dann hat er das Gegenteil erreicht: mehr Zusammenhalt, Solidarität, Menschlichkeit. Die Opfer des 19. Februar 2020 bleiben für immer ein Teil von uns." Die SPD-Ministerin nannte jedes einzelne Opfer bei seinem Namen und schilderte dessen Lebensgeschichte und Zukunftspläne.
Bei der Gedenkfeier sprachen auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD), der Hanauer Imam Macit Bozkurt und mehrere Angehörige. Auf dem Marktplatz gibt es zudem eine Kundgebung. Sie steht unter dem Motto "Zwei Jahre nach Hanau: Kein Vergeben, kein Vergessen".
Kanzler Olaf Scholz versprach in einer via Twitter verbreiteten Video-Botschaft, die Bundesregierung werde Rassismus und rechten Terror entschieden bekämpfen.
Auch in anderen Städten in Hessen und Deutschland erinnern Menschen an diesem Samstag an die Opfer und treten für politische Konsequenzen ein. Bundesweit gibt es mehr als 100 Demonstrationen, Kundgebungen und Aktionen, unter anderem in Frankfurt, Hamburg, Bremen, Hannover, Leipzig, Magdeburg, Stuttgart und München.
Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags
Mit der Aufarbeitung der Tat befasst sich derzeit ein Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags, der insbesondere der Frage nachgeht, ob es vor, während oder nach dem Anschlag zu einem Behördenversagen kam. Der Attentäter hatte vor seiner Gewalttat rassistische Hetzschriften und Videos mit Verschwörungstheorien im Internet veröffentlicht.
Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler forderte zum Jahrestag mehr staatliche Anstrengungen gegen Rassismus. "Strukturellen Rassismus bekämpfen bedeutet, die Polizei und andere Sicherheitsbehörden müssen demokratisiert werden", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Extrem rechte Einstellungen, Netzwerke und rassistische Praktiken dort müssten wissenschaftlich untersucht werden. Nötig sei eine unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle auf Bundesebene.
Bundesinnenministerin Faeser betonte am Freitag in Berlin: "Wir werden den Ermittlungsdruck gegen Extremisten weiter erhöhen." Doch "tief verwurzelter Menschenfeindlichkeit" konsequent zu begegnen, sei nicht allein eine Aufgabe einer starken Polizei und gut ausgestatteter Sicherheitsbehörden. "Es ist eine Aufgabe für uns als Gesellschaft", sagte sie und kündigte an, bis Ostern einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorzulegen.
Die Bundesanwaltschaft hatte Ende Dezember ihre Ermittlungen zu dem Anschlag eingestellt. Es gebe keine Anhaltspunkte für Mittäter, Anstifter, Gehilfen oder Mitwisser des Attentäters, erklärte die Behörde. Unter den Angehörigen der Opfer sorgte das für Kritik.
se/kle (dpa, afp, epd, kna)