1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutschland, ein digitales Jammertal?

7. Juni 2018

Heute Top, morgen Flop? Die deutsche Wirtschaft spielt weltweit in der Spitzenliga - noch. Wenn Deutschland digital den Anschluss verpasst, dann wird das auch für die Unternehmen Folgen haben.

https://p.dw.com/p/2z63O
Symbolbild - Landgericht Köln untersagt Volumen-Drosselung der Telekom
Bild: Fotolia/Calado

Wenn Airbus-Vorstand Tom Enders auf die neue europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu sprechen kommt, dann fallen ihm wenig positive Aspekte ein. Für kleinere Unternehmen und insbesondere für Startups sei die jüngst in Kraft getretene Verordnung eine "riesige administrative Herausforderung". Damit müsse sich die Wirtschaft jetzt abmühen, anstatt sich um ihr eigentliches Geschäft und die wirklichen digitalen Herausforderungen kümmern zu können, so Enders auf der Konferenz "Technology - managing the future", die am Donnerstag in der ESMT, einer Business-School in Berlin, stattfand.

Der Datenschutz ist für den Airbus-Chef aber nur ein Hemmschuh von vielen in Deutschland und Europa. Er kritisiert das Bildungssystem und die digitale Infrastruktur, schimpft über den wachsenden Fachkräftemangel und die Unfähigkeit der Politik, für schnelles Internet zu sorgen. "In Deutschland macht man immer erst ein Gesamtkonzept, das alle Aspekte, auch die ethischen mit einbezieht und wenn man damit fertig ist, sind die Wettbewerber längst über alle Berge."

Ist es wirklich so schlimm?

Die Wettbewerber, damit meint Enders Länder wie China und die USA. Hier würden die Herausforderungen des digitalen Zeitalters offensiv angegangen, Europa spiele nur noch in der Defensive. "Man muss einen Stein ins Wasser werfen und sehen, welche Wellen er schlägt, dann kann man herausfinden, was man machen kann und die Regulierung kann anschließend kommen", sagt er.

China Shenzhen - Angela Merkel besichtigt das Startup iCarbonX
In China besuchte Kanzlerin Angela Merkel kürzlich unter anderem ein StartupBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Gerade global agierende Unternehmen bekommen hautnah mit, in welchem rasanten Tempo sich die digitale Transformation weltweit entwickelt. Ein Tempo, das Deutschland unübersehbar überfordert. Gerade erst hat der Europäische Rechnungshof Deutschland eine verfehlte digitale Ausbau-Strategie attestiert. Das Land werde im internationalen Wettbewerb nicht mehr lange mithalten können, weil es den Sprung in die Gigabit-Gesellschaft wohl nicht rechtzeitig schaffen werde.

Die Bundesregierung läuft den Problemen hinterher

Die Versteigerung der Frequenzen für die neue Mobilfunkgeneration 5G verzögert sich, weil es Abstimmungsprobleme zwischen der Bundesnetzagentur und dem politisch besetzten Beirat über die Bedingungen gibt. Derzeit ist die Auktion für Frühjahr 2019 geplant. Die Bundesregierung braucht das Geld dringend für ihren geplanten Gigabit-Investitionsfonds, der Glasfaserprojekte finanziell fördern soll. Bis zum Jahr 2025 soll so eine digitale Infrastruktur geschaffen werden, die weltweit mithalten kann.

Infografik Breitband OECD Länder DEU

Es scheint, als laufe die Politik der Entwicklung nur noch hinterher. Geplant war, dass im Jahr 2018 alle Haushalte in Deutschland flächendeckend mit schnellem Internet versorgt sein sollten. Das war genauso Wunschdenken wie die digitale Bildungsstrategie. Fünf Milliarden Euro sollten an Schulen fließen, um sie verlässlich ans Internet anzubinden und eine digitale Lernumgebung schaffen zu können. Doch das Geld scheint nicht anzukommen. Abstürzende Computer und fehlendes oder instabiles WLAN sind an deutschen Schulen nach wie vor an der Tagesordnung.

Mit den Versäumnissen von gestern in die Zukunft

Wie soll unter diesen Umständen so etwas wie künstliche Intelligenz in Deutschland entwickelt werden? In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD einen "Masterplan KI", also für künstliche Intelligenz,vereinbart. Eckpunkte sollen schon in Kürze vom Kabinett verabschiedet werden, kündigte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf der ESMT-Konferenz an. Die Bundesregierung sei fest entschlossen, alles dafür zu tun, um Deutschland und Europa zum führenden Standort für künstliche Intelligenz zu machen.

Schneller und besser mit KI

Deutschland sei schon heute einer der besten Forschungsstandorte für künstliche Intelligenz, so Altmaier. Trotzdem seien viele Unternehmen an den Forschungsergebnissen gar nicht so sehr interessiert, das habe er vor ein paar Tagen auf einer KI-Konferenz im Kanzleramt feststellen müssen. Dabei seien die Anwendungsszenarien mit Maschinen- und Fahrzeugbau, Produktion und Logistik durchaus Bereiche, in denen die deutsche Wirtschaft stark sei. "Wenn wir die Dinge nicht erfinden und in die Praxis umsetzen, dann macht es ein Unternehmen in den USA, in China oder in ein paar Jahren in Indien."

Viel Wind und nichts dahinter?

China will bis 2030 führender Standort für künstliche Intelligenz sein. Im Reich der Mitte ist Datenschutz ein Fremdwort. Mit Unmengen von Daten wird die Entwicklung von KI vorangetrieben. Das weiß auch die Bundeskanzlerin. "Führend in KI und restriktiv bei Daten sein, ist wie Kühe züchten ohne Futter", warnte sie kürzlich im Bundestag. Das habe keinen Erfolg. Daten seien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. "Deshalb müssen wir alles neu denken, vom Steuersystem bis zu den sozialen Sicherungssystemen." 

Natürlich kritisiert die Kanzlerin die neue europäische Datenschutzgrundverordnung nicht so harsch wie Airbus-Chef Tom Enders. Datensicherheit sei das A und O, sagte sie bei ihrem jüngsten Besuch in China. Die ausgeprägte Angst der Deutschen vor Datensammlungen kann Merkel jedoch nicht nachvollziehen. Sie fordert stattdessen dazu auf, die Bedenken zu überwinden. Deutschland müsse seine starke industrielle Wertschöpfung in die Digitalisierung hinüberbringen - diese Schlacht sei noch lange nicht entschieden.