Deutschland: Angst um den Zustand der Wirtschaft
31. August 2023Für etwas mehr als 24 Stunden hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Ende der Sommerpause mit seinen Ministern in Klausur in Meseberg begeben, um Klartext zu reden. Über die Stagnation und drohende Rezession in der deutschen Wirtschaft und was man dagegen tun kann. Thema war auch das nicht minder miserable Erscheinungsbild der Regierungskoalition. Weniger streiten, besser regieren, das haben sich SPD, Grüne und FDP nun zum wiederholten Mal vorgenommen. Ob es hilft?
Viel Vertrauen haben die Deutschen nicht mehr in die Koalition. Nur noch 19 Prozent sind mit der Arbeit der Regierung zufrieden. Das geht aus dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend hervor, den das Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap im Auftrag der Tagesthemen erhoben hat. Dafür wurden vom 28. bis 30. August repräsentativ 1310 wahlberechtigte Bürger befragt.
Die Unzufriedenheit ist auch unter den Parteianhängern der Regierungsparteien groß. Besonders die FDP-Anhänger fremdeln schon seit längerem mit der eigenen Koalition und aktuell üben vier von fünf deutliche Kritik.
Dass Bundesregierungen mit ihrer Arbeit zu Beginn ihrer Amtszeit an Rückhalt verlieren, ist nicht ungewöhnlich. Allerdings haben frühere Regierungen weit vor der Hälfte der Legislaturperiode mit ihren Leistungen jeweils wieder Vertrauen bei den Wahlberechtigten aufbauen können. Der Ampel ist eine solche Trendumkehr bisher nicht gelungen, obwohl die Halbzeit der Regierung erreicht ist.
Das spiegelt sich auch in der Sonntagsfrage. Wenn jetzt ein neuer Bundestag gewählt würde, wären SPD, Grüne und FDP wie schon länger ohne gemeinsame Mehrheit.
Die CDU/CSU liegt mit 29 Prozent unangefochten vorn, gefolgt von der AfD mit 22 Prozent. Die Kanzlerpartei SPD käme nur auf 16 Prozent. Die Grünen kämen auf 14, die Liberalen auf sechs Prozent. Die Linke würde mit vier Prozent den Einzug in den Bundestag nicht schaffen. Augenfällig ist auch die hohe Unbeliebtheit des Bundeskanzlers. Olaf Scholz stellt im Urteil der Bevölkerung einen neuen Negativrekord auf. Nur noch jeder vierte Wähler ist laut ARD-Deutschlandtrend mit seiner Arbeit zufrieden.
In Meseberg hat der Kanzler mit seinem Kabinett beschlossen, mit einem 10-Punkte-Plan einen Fokus auf die Wirtschaft zu legen. Unternehmen sollen mit milliardenschweren Steuerentlastungen unterstützt werden und der Bürokratieabbau soll forciert werden. Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft dürfte den Erwartungen vieler Bundesbürger entsprechen. Im ARD-Deutschlandtrend wird die wirtschaftliche Lage in Deutschland kritischer bewertet als zuletzt. 73 Prozent der Befragten beurteilen sie als weniger gut oder schlecht. Allein bei den Parteianhängern der Grünen sieht eine Mehrheit keinen Grund zur Sorge.
Gleichzeitig rechnet für die kommenden 12 Monate fast die Hälfte (46 Prozent) der Bundesbürger mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Vier von zehn (38 Prozent) gehen von einer gleichbleibenden, nur 13 Prozent von einer verbesserten Situation aus. Die schwächelnde Wirtschaft, so sagen die Bundesbürger im ARD-Deutschlandtrend, sei das größte Problem, mit dem das Land derzeit zu kämpfen hat.
Fragen von Konjunktur und Wirtschaft haben auf dieser Liste in den vergangenen fünf Monaten massiv an Stellenwert gewonnen. Die Sorge um den Krieg in der Ukraine und seine Folgen hat für die Bürger hingegen deutlich an Bedeutung verloren. Auf Platz vier der Liste steht das Thema soziale Gerechtigkeit. In Deutschland ist das Unbehagen über die Verteilung des wirtschaftlichen Wohlstands grundsätzlich groß. Aktuell ist es noch einmal gewachsen. Acht von zehn Befragten sagen, dass es in Deutschland ungerecht zugeht.
Um Familien zu unterstützen, hat die Koalition kürzlich eine Kindergrundsicherung auf den Weg gebracht. 60 Prozent der Bundesbürger finden das richtig. Im ARD-Deutschlandtrend äußerten sie sich auch zu zwei weiteren Themen.
Die Koalition hatte monatelang über die Kindergrundsicherung gestritten. Differenzen gibt es nach wie vor bei zwei weiteren Themen, die in der Koalition diskutiert werden: der Einführung eines gedeckelten Industriestrompreises sowie der stärkeren Regulierung von Mieten, wie sie von Teilen der SPD und der Grünen gefordert werden.
Auf eine staatliche Bezuschussung des Strompreises für energieintensive Branchen reagieren die Bundesbürger eher zurückhaltend: Für vier von zehn gehen entsprechende Ideen in die richtige Richtung. Eine stärkere Begrenzung von Mieterhöhungen fände dagegen in der Bevölkerung mit 72 Prozent eine deutliche Unterstützung.