Deutsches Kino: Rainer Werner Fassbinder
44 Filme in 16 Jahren - das hat vor und nach ihm keiner geschafft. Doch die ungeheure Schaffenskraft forderte ihren Tribut. Mit nur 37 Jahren starb Fassbinder. Er hinterließ großartige Werke.
Liebe ist kälter als der Tod
Liebe, Tod und Kälte - drei Begriffe, die Leben und Werk Rainer Werner Fassbinders nachhaltig prägen sollten. Als der in Bad Wörishofen in Bayern geborene junge Mann seinen ersten langen Spielfilm "Liebe ist kälter als der Tod" in die bundesdeutschen Kinos bringt, ist er gerade 23 Jahre alt. Gleich mit seinem Debüt betritt er die große Bühne. Der Film wird bei der Berlinale gezeigt.
Katzelmacher
Auch sein zweiter Film wird ein Erfolg. "Katzelmacher" aus dem Jahre 1970 bringt Fassbinder mehrere Deutsche Filmpreise ein. Sein Schauspielerensemble, mit dem er Jahre arbeiten sollte, formiert sich. In "Katzelmacher", der die Beziehungen von vier Paaren unter- und zueinander zeigt, ist auch Hanna Schygulla dabei - eine der vielen Musen des Regisseurs. Hier freuen sich beide über die Preise.
Händler der vier Jahreszeiten
Doch es geht nicht immer nur bergauf. Nach dem fulminanten Start muss Fassbinder auch Tiefschläge verkraften, nicht alle Filme reüssierten an der Kinokasse. Fassbinder arbeitet auch für Theater und Fernsehen. Daran erinnert die große Fassbinder-Ausstellung In Berlin "Fassbinder Jetzt", die auch seltene Aufnahmen von Dreharbeiten zeigt - wie hier am Set von "Händler der vier Jahreszeiten".
Angst essen Seele auf
Tief ins Herz der Zuschauer gräbt sich Fassbinders Film "Angst essen Seele auf". Er erzählt von der Freundschaft und Liebe zwischen einer älteren deutschen Frau (Brigitte Mira) und einem mehr als zwanzig Jahre jüngeren Marokkaner (El Hedi ben Salem). Der heute noch berührende Film aus dem Jahre 1973 ist gerade jetzt, über 40 Jahre nach seiner Entstehung, hochaktuell.
Fontane Effi Briest
Kurze Zeit nach "Angst essen Seele auf" ist die Überraschung groß. Fassbinder, den man vor allem als Chronist der Gegenwart kennt, als scharfen Beobachter der kleinen Leute, überrascht mit einer Klassikerverfilmung. Theodor Fontanes Roman "Effi Briest" wird von Fassbinder mit Hanna Schygulla in der Titelrolle zu einem erlesenen Augenschmaus - mit wunderschönen Kinobildern.
Chinesisches Roulette
Der 1976 entstandene Film "Chinesisches Roulette" ist dagegen wieder ein "typischer" Fassbinder. Charaktere treffen auf engem Raum zusammen, Emotionen entfalten sich und prallen aufeinander. Es entzündet sich ein Spiel um Macht und Leidenschaft. Für seine Sujets findet der Regisseur oft einprägsame Bilder: Gesichter und Körper reflektieren in Glasscheiben, glatten Wänden und Spiegeln.
Bolwieser
Mit fortschreitenden Jahren wendet sich Fassbinder auch Themen der deutschen Geschichte zu. Mit "Bolwieser" verfilmt er einen Roman von Oskar Maria Graf aus dem Jahre 1931. Buch und Film blicken zurück in eine bayrische Kleinstadt der 20er Jahre. "Bolwieser" wird fürs Kino verfilmt, gleichzeitig entsteht auch eine längere Fernsehversion. Fassbinder ahnt früh, wie man beide Medien bedienen kann.
Despair
Mitte der 70er Jahre ist Fassbinder auch international eine Größe. Das führt dazu, dass sich der Regisseur immer größere Budgets leisten kann. In "Eine Reise ins Licht - Despair" arbeitete er mit Stars wie Dirk Bogarde und Andrea Ferréol. Die Premiere findet bei den Festspielen in Cannes statt. Doch "Despair", mit großem Aufwand realisiert, fällt an den Kassen durch.
Berlin Alexanderplatz
Nach einigen kleineren und gesellschaftlich engagierten Filmen, die sich wie "Deutschland im Herbst" auch mit dem RAF-Terror auseinandersetzen, wendet sich Fassbinder 1979 seinem bisher größten Vorhaben zu. In 13 Teilen verfilmt er für das deutsche Fernsehen den Roman von Alfred Döblin "Berlin Alexanderplatz". Lange vor dem Serien-Boom unserer Tage ist Fassbinder auch hier ein Revolutionär.
Lili Marleen
Wie schon in seinem großen Erfolg "Die Ehe der Maria Braun" beschäftigt sich Fassbinder auch in "Lili Marleen" (1980) mit deutscher Historie, indem er seinem ernsten Thema einen populären Rahmen verpasst. Nie war Fassbinder Hollywood näher: großes Kino, bekannte Schauspieler, effektvolle Dramaturgie. Die Leinwand wird auch in "Lili Marleen" zur großen Kinogeschichtsbühne.
Lola
Dem bundesdeutschen Wirtschaftswunder widmet sich der Regisseur 1981 in "Lola". Fassbinder konnte damals alle haben: Stars wie Armin Müller-Stahl, Mario Adorf und auch Barbara Sukowa spielen für den Meister. Die Zuschauer strömen in die Filme. Doch hinter den Kulissen weiß man auch: Fassbinder ist körperlich ein Wrack: Alkohol, Drogen und unmäßiges Arbeiten haben ihm schwer zugesetzt.
Kamikaze
Nicht nur als Filmregisseur feiert Fassbinder Erfolge. Zwischendurch inszeniert er auch immer wieder fürs Fernsehen und am Theater. Legendär ist sein höchst umstrittenes Stück "Der Müll, die Stadt und der Tod", das erst 2009 zur Uraufführung kommt. Und dann tritt Fassbinder immer auch mal als Schauspieler auf - vor den Kameras der Kollegen, wie hier in "Kamikaze" von Wolf Gremm.
Die Sehnsucht der Veronika Voss
1982, wenige Monate vor seinem Tod, erlebt Fassbinder noch einen Triumph. Sein Film "Die Sehnsucht der Veronika Voss" gewinnt bei der Berlinale den Goldenen Bären - das hatte lange kein deutscher Film mehr geschafft. Sein vorletztes Opus überzeugt auch die Kritik: Meisterhaft in Szene gesetzt, mit großartigen Schauspielern besetzt, zog "Die Sehnsucht der Veronika Voss" die Zuschauer in Bann.
Querelle und der Tod
Die Uraufführung seines letzten Films "Querelle" nach einem Buch von Jean Genet erlebt Fassbinder schon nicht mehr. Er stirbt am 10. Juni 1982 in München an einem Herzstillstand. Ausgelöst wurde der vermutlich durch Alkohol, Kokain und Schlaftabletten. Fassbinder hatte in einem wahren Schaffensrausch seit Mitte der 1960er Jahre fast 50 Filme gedreht. Sein Werk ist heute weltbekannt.