Deutsches Afrika-Konzept umstritten
23. Mai 2014Bundeskanzlerin Angela Merkel schwärmt vom "Kontinent der Chancen", Afrika sei "näher gerückt", sekundiert das Außenamt. Medien, die Afrika sonst nur bei Fährunglücken, Entführungen und Massentötungen wahrnehmen, interessieren sich für Details der Entwicklungspolitik und des Militärengagements. So präsent war Afrika selten. Doch gerade in diesen Tagen prägen nicht die Chancen, sondern die Risiken und alten Stereotype die öffentliche Wahrnehmung in Deutschland: Nigeria, Zentralafrika, Südsudan, Mali. Bei der Vorstellung des neuen Afrika-Konzepts der Bundesregierung räumt Regierungssprecher Steffen Seibert ein, dass "die Problemzonen des Kontinents, die Katastrophen, die Krisen" oft im Fokus stünden. "Das starke Wachstum in zahlreichen afrikanischen Staaten wird sehr viel seltener betrachtet."
Die afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung nähmen "das Ganze" in den Blick, so Seibert: In den am Mittwoch (21.05.2014) verabschiedeten Leitlinien geht es um mehr afrikanische Eigenverantwortung, gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit, Demokratisierung und Bildung - das ist alles nicht neu, sondern eine Weiterentwicklung der bisherigen Politik. Nachhaltige Marktwirtschaft mit Nutzen für die breite Masse - auch das haben Vorgängerregierungen schon postuliert. Intensiverer Dialog, Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Einbeziehung der Afrikaner in globale Herausforderungen - da sind neue Akzente möglich. In der Vergangenheit sind die Afrikaner in der Regel abgeblitzt, wenn es konkret wurde: bei Führungsposten in Weltbank und Internationalem Währungsfonds etwa, bei der Aufwertung der G 20 oder bei den aus ihrer Sicht unfairen Bedingungen der Europäischen Union für wirtschaftliche Partnerschaftsabkommen.
Zustimmung aus der Wirtschaft, Ablehnung aus der Opposition
Der Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft, der 600 Firmen vertritt, sieht in den Leitlinien ein "positives Zeichen". Die Bundesregierung erkenne an, dass sich der afrikanische Kontinent gewandelt habe. Besonders freut die Wirtschaftslobby, dass Afrikainvestoren mit den sogenannten Hermes-Bürgschaften besser vor Ausfallrisiken geschützt werden sollen - eine zentrale Forderung des Vereins.
Bei der Opposition kamen die Richtlinien weniger gut an. Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz, kritisierte sie als "Worthülsen" und "warme Worte": "Die Richtlinien sind mir viel zu wenig spezifisch", so Kekeritz. "Es werden keine wirklichen Prozesse dargestellt, wie denn die Ziele umgesetzt werden können." Im Grunde sei das Konzept überflüssig: "In der einen oder anderen Form hat man das auch schon in alten Richtlinien oder Afrika-Programmen der vormaligen Bundesregierung gesehen. Das hilft uns so konkret nicht weiter."
Der Außenexperte der Linkspartei, Jan van Aken, warnt vor allem vor einem stärkeren militärischen Engagement Deutschlands. Im neuen Afrika-Konzept wird eine Entsendung deutscher Soldaten nicht ausgeschlossen. Die Linken befürchten eine "Militarisierung der deutschen Außenpolitik". Der Regierung seien Gewaltausbrüche in Afrika in der Regel vollkommen egal, sagt van Aken im Gespräch mit der DW: "Nur in dem Fall, wo deutsche oder französische Interessen berührt werden, wird es plötzlich zu einem wichtigen Punkt."
Vorsorge statt Kampftruppen
Der Linken-Politiker schränkt zwar ein, er finde es "völlig richtig", zu sagen, dass ein Völkermord wie 1994 in Ruanda verhindert werden müsse. "Aber was mir in der deutschen Afrika-Politik völlig fehlt, ist das vorsorgende Element", so van Aken: Aktiv zu werden, bevor es zu Gewaltausbrüchen komme, "damit Konflikte zivil und nicht militärisch gelöst werden."
Frankreich drängt sehr stark auf eine Waffenbruderschaft in akuten Krisenherden wie der Zentralafrikanischen Republik, die noch immer am Rande des Genozids schwebt. Die Bundesbürger selbst sind strikt dagegen, dem opferreichen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nun riskante Afrika-Abenteuer folgen zu lassen. In einer Umfrage der Körber-Stiftung sprachen sich sechs von zehn Deutschen gegen ein größeres militärisches Engagement aus.
Entwicklungsminister Gerd Müller, der sich selbst gerne als "Afrika-Minister" bezeichnet, versucht in diesem Punkt zu beschwichtigen. "Afrika ist nicht nur wirtschaftlich ein Partner für uns, sondern natürlich auch politisch", sagt der Minister im DW-Interview. "Im Bereich der Verteidigungssicherheit wollen wir die Afrikanische Union ertüchtigen, ihre Konflikte selbst zu lösen." Dies sei auch der Wunsch der AU-Präsidentin Nkosazana Dlamini-Zuma. "Afrika kann, will und wird seine Bürgerkriegskonflikte selber lösen", so Müller. Ein Einsatz deutscher Kampftruppen in den aktuellen Krisenherden ist für Müller keine Option.