Deutscher Radsport auf dem Weg nach oben
7. Januar 2015Im Schatten des Brandenburger Tores hatte der französische Botschafter Philippe Etienne seine Residenz dem Team Giant Alpecin zur Verfügung gestellt. Die ungewöhnliche Ortswahl erklärte Rennstallchef Iwan Spekenbrink damit, dass Frankreich das Mutterland des Radsports sei und Deutschland die neue Heimat seines im vergangenen Jahr noch als Giant Shimano bekannten und in Holland ansässigen Rennstalls. "Wir haben immer Verantwortung gezeigt in Deutschland, in Holland und in Frankreich. Und jetzt ist der Moment da, eine extra Anstrengung in Deutschland zu machen. Wir wollen dafür sorgen, dass immer neue deutsche Talente hochkommen können in die World Tour durch unser Programm Talent Days und die deutsche Lizenz die Leute ermutigt, dem Sport mehr zu folgen", erklärte Spekenbrink im DW-Interview.
Talentsichtungsprogramm in Deutschland
Er hat mit dem Bund Deutscher Radfahrer einen Vertrag zur Talentsichtung und zur Entwicklung vor allem deutscher Nachwuchsfahrer abgeschlossen. Durchaus zum eigenen Nutzen: "So lernen wir die Fahrer besser kennen und sie uns. Und dann sind da immer größere Chancen, um weiter zu wachsen." Auslöser für das Talentsichtungsprogramm in Deutschland ist das Engagement des Namenssponsors Alpecin. Der Shampoo-Hersteller ist mit dem Werbeslogan "Doping für die Haare" bekannt geworden. Eigentlich ein kontraproduktiver Spruch in einem Sport, der durch leistungssteigerndes, illegales Doping in Verruf geriet. Aber Alpecin-Manager Eduard Dörrenberg sieht darin keine Belastung, eher eine Ermahnung.
Doping nur für die Haare
"Unser Spruch Doping für die Haare ist über zehn Jahre alt. Es ist eine Werbemetapher, das weiß jeder. Und wir sehen das auch ein bisschen als Ermahnung für die Fahrer, dass sie alles machen dürfen, aber sicher nicht dopen, außer ihre Haare." Alpecin-Mann Dörrenberg sieht noch viel Entwicklungspotential im Radsport, vor allem in Deutschland. Die Hoffnungsträger dafür hat er nun unter Vertrag. Den achtfachen Touretappensieger Marcel Kittel und dessen Sprintkompagnon John Degenkolb. Beide sehen durchaus ihren Anteil an der Entwicklung des Radsports.
"Ich bin erstmal superzufrieden. Ich denke, wir haben einen essentiellen Anteil beigetragen. Und die Reise ist noch nicht vorbei. Wir wollen schon noch mehr. Und ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg, den Radsport populär und wieder salonfähig zu machen", erklärte Degenkolb, der am Tag der Präsentation zudem Geburtstag hatte und sich über die Geburt seines Sohnes Leo fünf Tage zuvor freute.
Radsport ist wieder salonfähig
Die neue Salonfähigkeit wurde mit dieser Teampräsentation in der französischen Botschaft eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die illustre Location lockte ebenso illustre Gäste an. Tour de France-Direktor Christian Prudhomme machte seine Aufwartung. Er betonte, dass er zu Beginn dieser Saison nur zwei derartige Termine wahrnähme: Die Präsentation des zweitklassigen deutschen Rennstalls Bora Argon 18 und eben den Giant-Day in Berlin. Prudhomme ist der deutsche Markt wichtig. Nach jahrelanger Flaute hätten in letzter Zeit vier deutsche Städte Interesse angemeldet, Etappenziel der Tour zu werden, verriet er DW.
Ein anderer Ehrengast war Brian Cookson, Präsident des Weltradsportverbands UCI. Der Brite nimmt in diesem Jahr gar nur an einer Teampräsentation teil, eben der des deutschen Rennstalls. Zugegen war auch Justizminister Heiko Maas. Der ist in Personalunion Radsportfan und Initiator des Antidopinggesetzes.
Abstand zu Team Telekom
Manch Teilnehmer fühlte sich angesichts von so viel Prominenz an die seligen, unseligen Team Telekom-Zeiten erinnert. Doch während die mediale Entourage von der Vergangenheit schwärmte, machte ausgerechnet Radprofi Marcel Kittel darauf aufmerksam, dass jetzt andere Zeiten herrschten. Kittel will keinesfalls mit Ullrich & Co. in einen Topf geworfen werden. Auf die Frage, ob er mit seinem Team da hin wolle, wo Team Telekom einmal stand, meinte er: "Ich glaube, das müsste man erst einmal wollen, dorthinzukommen. Wir wollen unseren eigenen Weg gehen und das ist auch jedem klar. Wir möchten für uns selber stehen und nicht verglichen werden."
Ihren Standpunkt zeichnet eine klare Antidopingposition aus. Kittel und Degenkolb gehen sogar die neuen, durchaus bemerkenswerten Antidopingregeln der UCI nicht weit genug. Sie sehen bei zwei Dopingfällen in einem Team binnen zwölf Monaten empfindliche Geldstrafen und Wettkampfsperren für das gesamte Team von 15 bis 45 Tagen vor. "Es ist die richtige Richtung. Aber man kann da meiner Meinung nach schon noch an der Schraube drehen und das noch ein bisschen aggressiver gestalten", sagte John Degenkolb.
Sportlicher Auftakt Australien
Sportlich wollen er und Kittel an die vergangenen Jahre anknüpfen. Kittel will weitere Tagessiege bei großen Rundfahrten, Degenkolb endlich seinen ersten Etappensieg bei der Tour sowie eine gute Klassikersaison. Höhepunkt wäre ein WM-Erfolg im Herbst. Kittel bestreitet seinen Saisonstart bei der Australienrundfahrt, wo er vor allem Rennkilometer sammeln und den Berliner Simon Geschke bei dessen Ambitionen in der Gesamtwertung unterstützen will. Der frischgebackene Vater Degenkolb steigt im Februar bei der Dubai Tour ins Renngeschehen ein.