Deutscher Mali-Einsatz: "Nicht abrupt aussteigen"
10. Februar 2022Vor dem Hintergrund des malisch-französischen Konfliktes gibt es in Deutschland heftige Diskussionen darüber, ob die Einsätze der Bundeswehr in Mali im Rahmen internationaler Missionen (MINUSMA, EUTM) verlängert werden sollen. Dabei dürfte es auch von Bedeutung sein, ob Malis Militärjunta bereit ist, schnell Wahlen abzuhalten, wie das auch die Bundesregierung gefordert hat.
Unterdessen will Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht eine für diese Woche geplante Malireise mit Truppenbesuchen wegen einer möglichen Corona-Infektion in ihrem Umfeld nun digital abhalten, hieß es am Donnerstag aus dem Ministerium. Ende Mai laufen die Mandate der beiden deutschen Missionen aus. Ulf Laessing beobachtet die Entwicklungen im Sahel für die Konrad-Adenauer-Stiftung.
Deutsche Welle: Wie schätzen Sie die Risiken eines kurzfristigen Abzugs aus Mali ein, Stichwort Afghanistan?
Ulf Laessing: Es ist sicherlich legitim, eine Diskussion zu führen, wie lange wir in Mali bleiben wollen, ob unsere Instrumente wirken, was wir besser machen können, wie sieht die Exit-Strategie aus? Ich würde nur davor warnen, wie in Afghanistan abrupt auszusteigen, abzuziehen. Das würde die Sicherheitslage in Mali nur noch verschlechtern und Russland nur in die Hände spielen.
Es ist viel die Rede davon, dass die malische Regierung auf russische Söldner und Ausbilder setzt. Wie schätzen Sie die tatsächliche Stärke Russlands in Mali ein?
Mali hat eine jahrzehntelange militärische Partnerschaft mit Russland bzw. der Sowjetunion. Dort wurden immer malische Offiziere ausgebildet. Aktuell haben mehrere Mitglieder der Regierung in Russland studiert, sie sprechen Russisch. Das schafft natürlich ein besonderes Verhältnis. Also die Russen kommen hier nicht neu an.
Mali hat in Russland Hubschrauber bestellt. Es geht da um ein Gerät, das sie gut kennen, ähnlich wie in Afghanistan: einfach zu handhaben, schnell zu reparieren und ideal für das schwierige Klima hier in Mali. Die hat Russland kurz vor Jahresende geschickt, zusammen mit Trainern dazu.
Und es wird vermutet, dass Söldner der Wagner-Gruppe hier sind, die ja auch schon in anderen Ländern Afrikas stationiert wurden. Die Stärke würde ich nicht überbewerten, vielleicht einige hundert. Die werden sicherlich nicht den malischen Konflikt lösen. Deswegen ist es auch gerade so wichtig, nicht abrupt aus Mali abzuziehen, sollte die Bundesregierung das entscheiden.
Frankreich prüft, inwiefern es den Anti-Terror-Kampf aus dem Niger weiterführen kann. Welche Konsequenzen hätte das für die Sicherheitslage in Mali?
Sollte Frankreich aus Mali abziehen, würde das mit Sicherheit Auswirkungen auf die Sicherheitslage haben. Auch auf die Bundeswehr, die im Rahmen der Blauhelm-Mission der Vereinten Nationen (MINUSMA) aktiv ist. Denn sie hat hier - wie die Vereinten Nationen - einen defensiven Charakter, es gibt keine Kampftruppen. Das Ganze war immer als Einklang gedacht: Frankreich hat eine Anti-Terror-Mission, die begleitet wird von der UNO-Mission. Zögen die Franzosen jetzt ab, würde sich die Sicherheitslage noch weiter verschlechtern, insbesondere in größeren Städten. Die Missionen haben doch schon geholfen, die Städte im Norden und Zentral-Mali zu kontrollieren.
Wenn es eine Verlegung der Anti-Terror-Truppen zum Beispiel in den Niger gäbe, und sich die Terroristen aus dem Niger nach Mali zurückzögen, könnte Russland dann in Mali militärisch noch etwas ausrichten?
Sollten Frankreich und auch die Bundeswehr aus Mali abziehen, hätte das auch Konsequenzen für die Nachbarländer. Die Dschihadisten sind jetzt auch schon in Burkina Faso und im Niger aktiv, im gemeinsamen Dreiländereck mit Mali. In allen drei Staaten gibt es ähnliche Probleme: schwache Regierungsführung, weit verbreitete Armut, eine sehr stark wachsende Bevölkerung und einen Staat, der sich immer mehr zurückzieht. Insofern sind dort fruchtbare Bedingungen für dschihadistische Gruppen.
Die Probleme im Niger sind ähnlich gelagert wie in Mali. Eine Verlegung der Anti-Terror-Truppen dorthin wäre Ihrer Ansicht nach also nicht hilfreich?
Die Bundeswehr ist im Niger auch aktiv, und die Amerikaner haben eine Drohnen-Basis in Agadez. Wenn man noch mehr Truppen aus Frankreich dorthin verlegen würde, bestünde das Risiko, dass der Niger selbst destabilisiert wird, denn auch dort gibt es anti-französische Ressentiments. Man darf Niger sicherlich auch nicht überfordern. Daher wäre es sinnvoll, den Einsatz in allen Ländern fortzusetzen.
Wie finanzieren sich die dschihadistischen Gruppen?
Dschihadistische Gruppen haben mehrere Finanzierungsquellen. Zum einen entführen sie Ausländer - das ist aber seltener geworden - oder Einheimische. Und sie setzen ein Steuersystem ein. Sie bilden sozusagen einen Parallelstaat. Den bauen sie auf in Regionen, in denen sie tätig werden, wo sie Territorien kontrollieren. Sie bauen Schulen auf, Krankenhäuser, Gerichte, und eben eine Steuerverwaltung. Bauern, Viehhirten oder auch Menschen, die im Goldabbau arbeiten, müssen Steuern bezahlen. Ebenso werden häufig Transporte besteuert, Lastwagen, die die Straßen passieren, die unter der Kontrolle der Islamisten sind. Sie sind damit in einigen Regionen in Mali, Burkina Faso oder Niger recht weit fortgeschritten.
Auf lokaler Ebene, beispielsweise in Burkina Faso, gibt es bereits Gespräche mit Dschihadisten - zum Teil mit guten Ergebnissen für Dorfbewohner, die nicht mehr attackiert werden. Warum führt die Regierung solche Gespräche nicht auch auf nationaler Ebene, um den Terror einzudämmen?
Es gibt in der Tat auf lokaler Ebene in Burkina Faso oder auch im Niger immer wieder Gespräche zwischen dschihadistischen Gruppen und örtlichen Vertretern. Häufig geht es dabei darum, einen Waffenstillstand auszuhandeln und örtlich Frieden zu schaffen. Auf nationaler Ebene gibt es das noch nicht. Aber in Mali häufen sich Hinweise, dass die Regierung zumindest ein Angebot an die moderaten Kräfte der Dschihadisten für Gespräche machen möchte. Sicherlich nicht an den Islamischen Staat, der für besondere Brutalität bekannt ist.
Ulf Laessing ist Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung in der malischen Hauptstadt Bamako.
Das Interview führte Dirke Köpp, Leiterin der DW-Redaktion Französisch für Afrika.