Deutsche Wirtschaft wächst und sorgt sich
8. Februar 2017Wenn es gerade gut läuft, dann sollte auch gefeiert werden. Genau das tut die am Mittwoch in Berlin vorgestellte Konjunkturprognose des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Auf der Basis einer Umfrage unter 27.000 Unternehmen wird darin das Geschäftsklima für Deutschlands wichtigen Mittelstand ermittelt. Und diese Aussichten sind derzeit blendend, sagt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin. "Die Unternehmen sind zuversichtlicher als 2015 und 2016."
Trotz vorhandener Risiken erhöht der DIHK damit seine Prognose um 0,4 Punkte auf 1,6 Prozent Wachstum in diesem Jahr. Insbesondere Inlandskonsum und Baubranche sind Wachstumstreiber, der Export belebt sich. Damit bleibe die Wachstumsdynamik in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr unverändert hoch, heißt es in der Umfrage weiter. "Das Alltagsgeschäft ist erstaunlich stabil und viel besser als gedacht", sagt Wansleben mit Blick auf seine Mitgliedsunternehmen. Für 2017 erwartet der Mittelstandsverband nochmals 350.000 neue Arbeitsplätze, getragen durch die gute Konjunktur in EU-Ländern wie Spanien, Irland, Tschechien und Polen.
Trump, Brexit und Fachkräftemangel als Wachstumsbremsen
Doch am Konjunkturhimmel sind dunkelgraue Wolken aufgezogen. Die Mehrzahl der Industriebetriebe erwartet eine deutliche Verschlechterung der Rahmenbedingungen für das Exportland Deutschland. Protektionistische Töne von US-Präsident Trump, ebenso wie der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, verunsichern die Wirtschaft. "Diese Themen sind in der gefühlten Welt der Unternehmen sehr präsent", sagt Wansleben. Höhere Rohöl- und Rohstoffpreise und hohe Energiekosten am Standort Deutschland werden als weitere Unsicherheitsfaktoren genannt.
Dass der Brexit bereits das aktuelle Geschäft einbrechen lässt, erwähnt der DIHK-Chef eher beiläufig. So sank das Handelsvolumen mit dem Vereinigten Königreich im zweiten Halbjahr um satte sieben Prozent, obwohl die tatsächlichen Brexit-Folgen noch gar nicht absehbar sind. DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben erinnerte daran, dass weder Brexit noch ein Handelskrieg mit den USA bislang Realität seien. Beides seien Drohszenarien. Dass diese Szenarien aber bereits Fakten schaffen können, war mit Verweis auf Großbritannien überdeutlich.
Handelskriege und andere Handelsbarrieren
Würde der US-Präsident, wie angekündigt, Importzölle auf deutsche Waren und Dienstleistungen legen, könnte es tatsächlich zu einer schwerwiegenden Krise der deutschen Exportwirtschaft kommen, befürchtet Wansleben. Aber: "Das Dicke Ende kommt hoffentlich nicht", motiviert sich der DIHK-Chef selbst. Importzölle auf deutsche Waren würden schließlich amerikanischen Konsumenten zuerst schaden.
Aber auch jenseits möglicher Handelskriege sehen viele Unternehmen mit Sorge, wie Tag für Tag neue, oft versteckte Handelsbarrieren aufgebaut werden. DIHK-Konjunkturexperte Dirk Schlottböller führt Beispiele auf. In Ägypten müssten sich deutsche Exporteure neuerdings gesondert zertifizieren lassen, mit strengeren Vorschriften, als es im EU-Binnenmarkt erforderlich sei. In der Türkei müssten deutsche Unternehmen inzwischen nachweisen, dass sie ein betriebliches Qualitätsmanagement hätten. Eine neue Forderung, die abrupt eingeführt wurde. Und in Saudi-Arabien müssten sich ausländische Exporteure auf einem Online-Portal registrieren lassen, was eine Fülle neuer und äußerst strenger Vorgaben eingeführt habe. "Diese Maßnahmen machen es dem Welthandel schwer, bald wieder Fuß zu fassen", sagt Schlotböller.
Trotz globaler Risiken: Als Hauptrisiko für das Alltagsgeschäft identifizieren die Unternehmen den beständig wachsenden Fachkräftemangel. Für Unternehmen mit Expansionswünschen sind zu wenige qualifizierte Mitarbeiter inzwischen einer der Hauptgründe, warum nicht investiert wird. Beim DIHK heißt es, eine gesteuerte Zuwanderung und weitere Investitionen ins Bildungssystem seien notwendig. Zudem werde es - angesichts der schnellen Überalterung des Landes – nicht ohne eine "Kultur des längeren Arbeitens" gehen, sagt Martin Wansleben. Je früher dies eine zukünftige Bundesregierung verstehe, desto besser sei dies für das Land. Die Digitalisierung vieler Produktionszweige sieht der Verband nicht zwingend als Grund für massenhafte Jobverluste. Das werde sich von Branche zu Branche sehr unterschiedlich auswirken, sagt DIHK-Konjunkturexperte Dirk Schlotböller.