Deutsche Wirtschaft enttäuscht
23. Mai 2013Grundsätzlich sind die deutschen Industrie- und Handelskammern nah am Puls der Wirtschaft. So fragen sie allein dreimal pro Jahr ihre Mitgliedsunternehmen, wie es ihnen geht, wie sie die wirtschaftliche Lage einschätzen und was sie jetzt und in der Zukunft planen. Zu Jahresbeginn ließen die Antworten noch auf ein leidlich gutes Jahr 2013 schließen. Nach der Auswertung von rund 24.000 Unternehmensantworten aus dem April dieses Jahres haben sich die Hoffnungen allerdings nicht bewahrheitet.
"Der Aufschwung in Deutschland ist vorerst verschoben", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, bei der Vorstellung der Ergebnisse der Frühsommer-Konjunkturumfrage in Berlin. "Also wir sind schon etwas enttäuscht von den Ergebnissen, nachdem wir in unserer letzten Prognose von einem Wachstum von 0,7 Prozent ausgegangen sind."
Zwar habe man schon damals gewusst, dass das letzte Quartal 2012 nicht besonders gut gewesen sei. "Jetzt müssen wir aber realisieren, dass es besonders schlecht gewesen ist und jetzt brauchen wir schon noch ein bisschen konjunkturellen Dampf, damit wir aus dem Keller des Winters herauskommen."
Positive Geschäftserwartungen lassen hoffen
Als Gründe für den Rückgang macht der DIHK die nur langsam verlaufende wirtschaftliche Stabilisierung in Europa verantwortlich. Bei den Unternehmen sei die Skepsis über die Nachfrage auf den Auslandsmärkten hoch. Die Exporterwartungen der Betriebe träten auf der Stelle. Dämpfend wirkte auch die ungewöhnlich schlechte Witterung bis in den April hinein. "Ein solcher Jahresauftakt wirkt nach und ist nur schwer aufzuholen", so Wansleben, der aus den Einschätzungen der Unternehmen aber durchaus auch positive Trends herausliest. Die Geschäftserwartungen für die Zukunft seien, von einem niedrigen Niveau ausgehend, durchaus positiv.
Das mache sich sowohl bei den Beschäftigungszahlen als auch bei den Investitionsabsichten bemerkbar. "Die Erwartungen zeigen, dass wir nicht davon ausgehen müssen, dass wir eine Rezession kriegen oder auf eine Nulllinie fallen, sondern die Firmen robben sich heraus." Das zeige ein Blick auf die Geschäftspläne der Unternehmen. "Die Firmen haben Angst, Leute einzustellen, sie stellen sie aber trotzdem ein und sie investieren in Zukunftsmärkte und Zukunftsprodukte, in Mitarbeiter und das ist wirklich interessant", so Wansleben.
Demografischer Wandel befeuert Fachkräftemangel
Der DIHK rechnet im Jahresdurchschnitt mit einem Zuwachs von 250.000 Stellen bei den Unternehmen. Allerdings klagt jeder dritte Betrieb inzwischen über Schwierigkeiten bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern. Das war auch in der Vergangenheit so, als die Geschäfte noch deutlich besser liefen. Für den Spitzenverband ist das ein Warnsignal. Der Fachkräftemangel werde für die deutschen Unternehmen zu einem immer größeren Problem. "Wir warnen vor der Vorstellung, dass die Demografie von sich aus den Arbeitsmarkt leerräumt, das wird nicht passieren", so Wansleben. Ein Land, das nicht offensiv mit der demografischen Entwicklung umgehe, verliere als Standort an Attraktivität. "Die Unternehmen können ja nur dort investieren, wo sie Mitarbeiter finden und am Ende natürlich auch Kunden."
Wenn nun im Zeichen der Euro-Krise vermehrt junge Menschen aus den südeuropäischen Ländern nach Deutschland kommen, um hier eine Ausbildung zu machen und zu arbeiten, dann hilft das deutschen Unternehmen zwar bedingt aus dem personellen Engpass heraus. Für die Länder, die ihre klugen Köpfe an Deutschland verlieren, kann daraus aber durchaus ein großes Problem erwachsen. Das sieht der Deutsche Industrie- und Handelskammertag auch, Martin Wansleben will von einem "Fachkräfteklau" aber nichts wissen.
Ohne Ausbildung kein Nachwuchs
Aktuell gehe es darum, jungen Menschen, die in Spanien oder Griechenland ohne Ausbildung und Perspektive seien, diese in Deutschland zu bieten. Langfristig müsse aber an der Entwicklung eines europäischen Arbeitsmarktes gearbeitet werden, der in alle Richtungen offen sei. "Wir haben ein Interesse dran, auch als deutsche Wirtschaft, dass Spanien, Griechenland und alle anderen europäischen Länder selbst in der Lage sind, ihren Jugendlichen eine klare Perspektive zu geben."
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag engagiere sich daher intensiv für den Export des deutschen dualen Ausbildungssystems in die südeuropäischen Länder. Allerdings müsse dort das Bewusstsein, dass Unternehmen über die Ausbildung für den Fachkräftenachwuchs selbst verantwortlich sind, noch deutlich wachsen.