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Deutsche Wirtschaft bricht historisch ein

30. Juli 2020

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im zweiten Quartal dramatisch eingebrochen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

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Deutschland Meiningen Coronavirus - Geschäftsaufgabe
Bild: picture-alliance/dpa/M. Reichel

Die deutsche Wirtschaft hat auf dem Höhepunkt der Corona-Krise einen noch nie da gewesenen Einbruch erlebt. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 10,1 Prozent, so das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden in einer ersten Schätzung.

Es war der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen im Jahr 1970. Bereits zum Jahresanfang war die Wirtschaftsleistung deutlich gesunken. Europas größte Volkswirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. 

Düstere Tiefstände

Nach Angaben der Wiesbadener Behörde sind im zweiten Quartal die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen erheblich eingebrochen sowie die privaten Konsumausgaben und die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen. Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben während der Krise.

Im Vorjahresvergleich brach die Wirtschaftsleistung um 11,7 Prozent ein. Den bisher stärksten Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal hatte es während der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise mit minus 7,9 Prozent im zweiten Quartal 2009 gegeben.

Infografik BIP Deutschland 2009 - 2020

"Jahrhundertrezession ist amtlich"

Für viele Experten kommen die Zahlen aus Wiesbaden nicht überraschend, sie hatten diese Entwicklung vorhergesehen. Uwe Burkert von der Landesbank Baden-Württemberg etwa sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Das war das erwartete schlechte Ergebnis und - hoffentlich - ein Minusrekord für die Ewigkeit. Selbst im besten Fall, das heißt: ohne einen neuen Lockdown, wird es einige Quartale dauern, bis wir diesen Verlust an Wirtschaftsleistung wieder aufgeholt haben."

"Nun ist sie amtlich: die Jahrhundertrezession", sagte Andreas Scheuerle von der Dekabank. "Was bislang weder Börsencrashs noch Ölpreisschocks geschafft haben, vollbrachte ein 160 Nanometer kleiner Winzling namens Corona. Der staatlich verordneten und auch selbst gewählten Isolation gelang es, diesen Virus zu besiegen. Nun liegt die Rechnung auf dem Tisch."

Ralf Umlauf von der HELABA ordnet die Zahlen zeitlich und global so ein: "Die Corona-Krise führte im Frühjahr zu einem historischen Wirtschaftseinbruch. Für das Gesamtjahr 2020 wird mit einem sehr großen Minus beim Bruttoinlandsprodukt zu rechnen sein. Darüber hinaus schwebt das Damoklesschwert der zweiten Infektionswelle vor allem über der Entwicklung der internationalen Konjunktur. Geld- und Fiskalpolitik bleiben vor diesem Hintergrund bis auf weiteres expansiv, nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch global."

Hoffen auf das Konjunkturpaket

Viele Volkswirte gehen davon aus, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr anzieht, vorausgesetzt die Infektionszahlen steigen nicht wieder deutlich an. Die wegen des Virus verhängten Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft wurden seit Mai zunehmend gelockert. Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stehen die Zeichen "eindeutig auf Erholung". Es werde aber wohl zwei Jahre dauern, bis der historische Einbruch vom Frühjahr wettgemacht sei.

Der Deutschen Bundesbank zufolge dürfte der Tiefpunkt der wirtschaftlichen Aktivität bereits im April erreicht worden sein. Im zweiten Halbjahr dürfte sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzen. "Dazu wird auch das zuletzt beschlossene Konjunkturpaket beitragen", schrieben die Experten im jüngsten Monatsbericht.

Zeichen der Aufhellung?

Die Bundesregierung hat für die Jahre 2020 und 2021 ein insgesamt 130 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket aufgelegt. Unter anderem wurde die Mehrwertsteuer vom 1. Juli an für ein halbes Jahr gesenkt: von 19 auf 16 Prozent beziehungsweise sieben auf fünf Prozent. Das soll den Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur ankurbeln.

Nach Auffassung der GfK-Konsumforscher zeigen sich bereits erste Effekte. "Die Anschaffungsneigung ist sehr stark angestiegen", sagte Konsumforscher Rolf Bürkl bei der Vorstellung der Konsumklima-Studie für Juli. "Die Verbraucher beabsichtigen offenbar, geplante größere Anschaffungen vorzuziehen, was dem Konsum in diesem Jahr hilft."

Auch in den Unternehmen hat sich die Stimmung aufgehellt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Juli den dritten Monat in Folge.

Zwischen Zuversicht und Schwarzseherei

LBBW-Ökonom Uwe Burkert zeigt sich verhalten optimistisch: "Für den Rest des Jahres erwarten wir jetzt eine Aufholjagd. Wie kräftig die wird, hängt weniger von der Wirtschaftspolitik ab. Vielmehr gilt es, die weitere Entwicklung der Infektionszahlen zu verfolgen."

Auch Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe sieht nicht nur schwarz: "Die Erholung ist unterwegs, sie wird nennenswerte Teile des Wachstumsverlusts ausgleichen. Angesichts der unbewältigten Corona-Pandemie kann vor allzu großer Konjunkturzuversicht aber nur gewarnt werden. Rückschläge durch neue Lockdown-Maßnahmen sind einzukalkulieren."

Die Bundesregierung rechnet trotz der erwarteten Erholung im Gesamtjahr mit der schwersten Rezession seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Sie ging zuletzt von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 6,3 Prozent aus. Ähnlich düster sind andere Vorhersagen. In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 war das deutsche BIP um 5,7 Prozent geschrumpft.

dk/hb (rtr, dpa, afp)