Deutsche Wirtschaft braucht saubere Geschäfte
17. Dezember 2012Steuerbetrug, Geldwäsche, Veruntreuung - die Liste der Vorwürfe gegen die Deutsche Bank und ihren Co-Chef Jürgen Fitschen ist lang. Noch ist nichts bewiesen, doch der Schaden ist immens, zumal andere Affären und Skandale wie Manipulation des Libor-Zinses und der Kirch-Prozess das Image von Deutschlands größtem Geldhaus bereits seit längerer Zeit belasten.
Image-Schäden sind zwar kaum zu quantifizieren, sie werden auch nicht in der nächsten Quartalsbilanz sichtbar - trotzdem ist Josef Wieland vom Institut für Wertemanagement an der Hochschule Konstanz überzeugt: "Wer dauerhaft seinen Ruf schädigt, der definiert sich aus dem Markt." Das müsse sich nicht unmittelbar in Aktienkursen darstellen, so Wieland zur DW. "Aber es macht sich eben auch an Fragen fest, wie viele Mitarbeiter gewinne ich, wie gehen die Kunden mit einem um. Da gibt es eine ganze Reihe von Aspekten, und es ist kein Zufall, dass die Unternehmen sehr viel Engagement in ihr Reputationsmanagement legen."
Sex and Crime
Doch damit scheint es nicht weit her zu sein, denn viele große Namen der deutschen Wirtschaftselite sind bereits ins Visier strafrechtlicher Ermittlungen geraten. Bei ThyssenKrupp ging es um Kartellabsprachen bei Bahnschienen, Rolltreppen und Aufzügen. Der Bus- und Lastwagenbauer MAN bestach Entscheidungsträger in vielen Ländern mit Millionensummen, um an öffentliche und private Aufträge zu kommen. Beim Autohersteller Daimler entdeckten Ermittler in mindestens 22 Ländern Schmiergeldzahlungen. Volkswagen bedachte Betriebsräte mit teuren Geschenken, Luxusreisen und Sexpartys. Beim Versicherungskonzern Ergo sorgten Lustreisen für besonders erfolgreiche Vertreter für Negativ-Schlagzeilen.
Das alles lässt vermuten: Der Compliance-Gedanke, das Einhalten von gesetzlichen Regelungen, scheint noch nicht richtig angekommen zu sein bei deutschen Unternehmen. Dem widerspricht allerdings Christoph Lütge vom Stiftungslehrstuhl Wirtschaftsethik der Technischen Universität München: "Der Compliance-Gedanke ist mit Sicherheit angekommen", so Lütge zur DW. "Compliance heißt ja zunächst nur, sich nach den Regeln verhalten, den Gesetzen folgen. Die meisten Großunternehmen haben hierzu erhebliche Anstrengungen unternommen, haben viel investiert, große Abteilungen aufgebaut, die sich damit beschäftigen."
Vorbilder gefragt
Compliance ist zwar gut und schön, sagt auch Josef Wieland vom Institut für Wertemanagement an der Hochschule Konstanz - aber das bloße Einhalten gesetzlicher Bestimmungen reicht eben nicht aus: "Es geht um Compliance und Integrität. Und Integrität, damit ist das Führungsverhalten, das Vorbildverhalten, damit ist der so genannte 'tone from the top' gemeint. Also wie wird da oben eigentlich kommuniziert", so Wieland zur DW. "Ohne eine engagierte, wirklich integre Führungsmannschaft kann ein Compliance-System nicht effektiv sein, und so lange wird es auch immer wieder zu diesem abweichenden Verhalten kommen."
Der Name Siemens steht für den größten Schmiergeldskandal in der deutschen Wirtschaftsgeschichte überhaupt. Im Jahr 2006 stießen Ermittler auf insgesamt 1,3 Milliarden Euro an verdächtigen Zahlungen. Harte Strafen waren die Folge: Siemens zahlte an US-Behörden und die deutsche Justiz 1,2 Milliarden Euro und mindestens noch einmal die gleiche Summe für die Aufklärung der Tatbestände.
Saubere Geschäfte
"Spätestens seit Siemens wissen wir, dass Non-Compliance auch nicht preiswert ist, sondern sehr teuer werden kann", sagt Wieland. Auch wenn Reputationsschäden kaum zu quantifizieren seien, könnten sie den Aktionären nicht egal sein: "Ich glaube sogar, dass es eher umgekehrt ist, dass die Eigentümer, die ihre Interessen wahrnehmen, dass die es sein müssten, die darauf drängen, dass Compliance in den Unternehmen herrscht."
Fazit fast aller Wirtschaftsethiker: Langfristig rechnen sich nur saubere Geschäfte, oder anders ausgedrückt: Ehrlich währt am längsten. "Und das funktioniert am besten", so Christoph Lütge vom Stiftungslehrstuhl Wirtschaftsethik der Technischen Universität München, "wenn wir einen gut funktionierenden Wettbewerb haben, in dem auch die Konsumenten etwas zu sagen haben. Dann ist sowohl der Moral als auch dem ökonomischen Erfolg geholfen."