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Politik

Deutsche Verteidigungspolitik setzt auf EU

Kay-Alexander Scholz
10. November 2016

Donald Trump hat im Wahlkampf das Verhältnis der USA zur NATO in Frage gestellt. Jetzt diskutiert Berlin, wie die militärische Zusammenarbeit in Zukunft aussehen kann und welche Herausforderungen sie bereithält.

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Afghanistan Bundeswehr NATO Resolute Support Mission
Bild: picture-alliance/dpa/S. Mustafa

Bis zur Amtsübernahme des künftigen US-Präsidenten Donald Trump werden noch einige Wochen ins Land gehen. Die deutsche Regierung hat also Zeit, sich darauf einzustellen - völlig unklar sind aber die außenpolitischen Pläne Trumps.

Eines der Themen mit Fragezeichen ist die Zukunft der NATO. Was wird aus dem transatlantischen Militärbündnis, sollte Trump sein Wahlkampfversprechen wahr machen und die Bündnistreue zur Disposition stellen? Was passiert, wenn die USA ihr finanzielles und militärisches Engagement spürbar zurückfahren?

Am Abend nach der Wahl hielt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Berlin die diesjährige Europa-Rede. Die USA sorgten nicht auf Dauer für die Sicherheit der Europäer, sagte er. "Das müssen wir schon selber tun." Deshalb brauche es einen neuen Anlauf zu einer europäischen Verteidigungsunion oder eine Diskussion über eine eigene europäische Armee. Die Debatte ist nicht neu, nimmt aber gerade wieder Fahrt auf.

EU forciert Verteidigungsunion

Tags darauf argumentierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der "Rheinischen Post" ähnlich. Neben dem "wichtigen Brückenbauen zur Trump-Administration" müsse Deutschland nun den "engen Schulterschluss mit den europäischen Partnern suchen". Die EU werde nicht darum kommen, sich sicherheitspolitisch besser zu organisieren. Es sei "bei weitem nicht so handlungs- und entscheidungsfähig, wie wir uns das wünschen", so von der Leyen. Dieses Ziel zu erreichen, dafür könne der Ausgang der US-Wahl einen wichtigen Impuls geben.

In der kommenden Woche wollen die EU-Verteidigungsminister über eine solche engere Zusammenarbeit in Ergänzung zur NATO beraten. Mitte Dezember soll dann auf einem EU-Gipfel der Weg für eine Verteidigungsunion freigemacht werden. Seit dem Brexit ist dieser Fahrplan realistisch - bisher hatten die Britten immer ihr Veto gegen eine "EU-Armee" eingelegt.

Gesteigerte Erwartungen an die Bundeswehr

Der Brexit und die US-Wahl sind Katalysatoren einer neuen deutschen Verteidigungspolitik, die schon in den Startlöchern steht. Schon seit zwei, drei Jahren gebe es gesteigerte Erwartungen an die Bundeswehr, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Montag. Nicht nur Trump habe die Erwartung geäußert, dass Deutschland und die Europäer mehr Verantwortung übernehmen. Für seine eigene Sicherheit werde Deutschland mehr schultern müssen - egal, wer im Weißen Haus sitzt, das hatte die Verteidigungsministerin schon vor der Wahl auf einer Sicherheitskonferenz von CDU und CSU gesagt. Sie nannte die Forderungen "berechtigt".

Deutschland CDU and CSU congress on security issues in Berlin
Sicherheitspolitische Konferenz der Union: Verteidigungsministerin von der Leyen, Innenminister de MaizièreBild: picture-alliance/NurPhoto/E. Contini

Der deutsche Verteidigungshaushalt wird in dieser Woche beraten und überproportional steigen, von gut 32 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf fast 40 Milliarden Euro bis 2020. Der Druck, mehr Geld in die Verteidigung zu stecken, kommt auch aus der NATO. Deren Zielmarke sind zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zur Zeit steckt Deutschland 1,2 Prozent in den Militäretat. Die USA beispielsweise veranschlagen dafür 3,6 Prozent.

Militärisches und ziviles Engagement vernetzen

Gleichzeitig betont von der Leyen in diesen Wochen immer wieder, wie wichtig die "europäische Farbe" sei und meint damit den zivil-militärischen Ansatz bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Damit habe man beim Anti-IS-Einsatz gute Erfahrungen gemacht. Neben den militärischen Mitteln und der Ausbildung lokaler Truppen seien Wiederaufbau, Versöhnung und Stabilisierung wichtig.

Der Bundeswehreinsatz im Kampf gegen den IS war am Donnerstag auch Thema im Bundestag. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Der Bundestag muss jede Erhöhung des Verteidigungsetats genehmigen und Auslandseinsätze debattieren und mehrheitlich beschließen. Am Donnerstag hat er den Anti-IS-Einsatz bis Ende 2017 verlängert und - wie bisher auch - auf maximal 1200 Soldaten kontingentiert.

Emotionale Debatte über Anti-IS-Einsatz

Deutschland beteiligt sich seit 2016 an der multinationalen Mission derzeit mit rund 470 Soldaten, von denen etwa 250 im türkischen Incirlik stationiert sind. Von dort aus starten deutsche Aufklärungsjets zu Erkundungsflügen über Syrien und dem Irak. Außerdem ist in Incirlik ein deutsches Tankflugzeug stationiert, das die Jets der Anti-IS-Koalition in der Luft mit Treibstoff versorgt. Weitere gut 200 Soldaten tun auf der Fregatte "Augsburg" Dienst, die im Mittelmeer Geleitschutz für den französischen Flugzeugträger "Charles de Gaulle" leistet. Künftig sollen auch deutsche NATO-Soldaten in Awacs-Aufklärungsmaschinen die Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien und im Irak unterstützen. 

Türkei | Tornado in Incirlik
Schwieriger Einsatz: Tornado der Bundeswehr im türkischen IncirlikBild: picture-alliance/dpa/Bundeswehr/F. Bärwald

Über die Verlängerung dieses Einsatzes stimmten die Parlamentarier namentlich ab. Mit den Stimmen der Regierungskoalition aus SPD, CDU und CSU nahmen sie den Antrag mit großer Mehrheit an.

Die Debatte zeigte erneut, dass die Entscheidung bei der Opposition umstritten ist. Die Grünen verteidigten ihre ablehnende Haltung damit, dass die Lage am Boden unübersichtlich sei. So würden die Türken kurdische Kräfte bombardieren, die ihrerseits als Partner der Anti-IS-Koalition von den USA aufgerüstet würden, sagte Omid Nouripour. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Türkei dabei auch auf Aufklärungsmaterial der Bundeswehr zurückgreife. Abgeordnete der Linken bemängelten, dass die türkische Regierung noch immer nicht dauerhaft gewährleiste, dass deutsche Parlamentatrier Incirlik besuchen könnten. Die Bundesregierung sei gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht konfrontativ genug und schiebe "Erdogan 60 Millionen Euro Steuergelder in den Arsch", so Alexander Neu. Er bekam dafür einen Rüffel vom Sitzungsleiter wegen unparlamentarischer Wortwahl.