Deutsche Sängerin in Türkei festgenommen
23. Juni 2018Nach der kurzzeitigen Inhaftierung einer deutschen Geschäftsfrau in der Türkei von Mittwoch bis Freitag haben türkische Behörden eine weitere Deutsche festgenommen. Die deutsche Sängerin Hozan Cane mit kurdischen Wurzeln sei in der Nacht zum Samstag im westtürkischen Edirne nach einer Wahlkampfveranstaltung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP inhaftiert worden, sagte ein HDP-Politiker aus der Stadt, Murat Amil. Polizisten hätten den Wahlkampfbus der Partei angehalten und die Deutsche aus Köln mitgenommen. Sie habe bei HDP-Veranstaltungen gesungen und die Partei im Wahlkampf unterstützt.
Grund für ihre Festnahme waren kurdischen Medienberichten zufolge Beiträge in sozialen Netzwerken. Die Frau werde derzeit von der Polizei befragt. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte auf Anfrage, der Fall sei bekannt. Das Generalkonsulat in Istanbul und der Honorarkonsul vor Ort seien in Kontakt mit den türkischen Behörden.
Eine Rechtsanwältin, die die Erstbetreuung der Sängerin übernommen hat, sagte, Hozan Cane werde wegen der bevorstehenden Wahlen wohl bis Montag in Polizeigewahrsam bleiben und erst dann der Staatsanwaltschaft vorgeführt. In Edirne sitzt auch der Präsidentschaftskandidat der HDP, Selahattin Demirtas, wegen Terrorvorwürfen seit November 2016 in Untersuchungshaft.
Geschäftsfrau wieder frei
Eine deutsche Geschäftsfrau, die am Mittwoch am Flughafen in Istanbul von türkischen Sicherheitskräften festgesetzt wurde, ist wieder auf freiem Fuß. Der Deutschen Presse-Agentur sagte die gebürtige Stuttgarterin mit türkischen Wurzeln am Samstag, sie sei am Freitag entlassen worden. Es habe sich um einen "Fehler im System" gehandelt. Die Frau war an einer Ausreise in die Schweiz gehindert worden.
Hintergrund der Festnahme war nach Angaben der Frau ein Prozess gegen sie nach einem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016. Ihr sei damals zu Unrecht vorgeworfen worden, Verbindungen zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen zu haben, den die Regierung für den Umsturzversuch verantwortlich macht. Das Gericht habe sie im April 2018 freigesprochen. Die Polizei habe auch eine fast zweijährige Ausreisesperre aufgehoben. Offenbar sei aber eine weitere Ausreisewarnung im System der Ausländerbehörde nicht beseitigt worden. Die deutsche Botschaft in Ankara habe interveniert. Am Donnerstag solle sie noch einmal bei den Behörden vorstellig werden. "Mir ist versichert worden, dass dann die Sperre vollständig aufgehoben wird."
Wahlen am Sonntag
In der Türkei finden am Sonntag vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Präsident Recep Tayyip Erdogan geht als Favorit in die Wahl, doch es ist offen, ob er in der ersten Runde eine Mehrheit erhält. In einer der letzten Umfragen kam Erdogan auf 48,2 Prozent vor Oppositionskandidat Muharrem Ince mit 29,1 Prozent. Verfehlt Erdogan am Sonntag die absolute Mehrheit muss er am 8. Juli in eine Stichwahl - vermutlich gegen Ince. Dann könnten andere Oppositionsparteien den CHP-Kandidaten gegen Erdogan unterstützen. Sollte die pro-kurdische HDP es in der Parlamentswahl über die Zehn-Prozent-Hürde schaffen, könnte Erdogans Partei AKP die absolute Mehrheit im Parlament verlieren.
Trotz der Proteste von Bundesregierung und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) blieben die türkischen Behörden auch am Samstag bei ihrem Einreiseverbot für den deutschen Wahlbeobachter und Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko. Der Linken-Politiker sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass er sich weiterhin bereithalte. "Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass ich an diesem Wochenende noch einreisen kann." Auch das Auswärtige Amt bestätigte, dass es keinen neuen Stand in dem Fall gebe.
Linken-Politiker Hunko will einreisen
Hunko wollte ursprünglich am Donnerstag als OSZE-Wahlbeobachter in die östliche Provinz Diyarbakir reisen. Kurz vor dem Abflug wurde ihm am Wiener Flughafen über die OSZE mitgeteilt, dass es für ihn keine Einreisegenehmigung gebe. Das Auswärtige Amt in Berlin teilte Hunko am Samstag in einer E-Mail mit, dass bislang keine schriftliche Erklärung der türkischen Regierung zur Einreisesperre vorliege. Hunko war bereits beim Verfassungsreferendum im April 2017 als Wahlbeobachter in der Türkei gewesen. Die türkische Regierung warf ihm damals Sympathien für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor und zweifelte seine Objektivität an. Neben Hunko wurde einem weiteren OSZE-Beobachter die Einreise verweigert: dem schwedischen Grünen-Politiker Jabar Amin. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will rund 330 internationale Beobachter aus 44 Ländern einsetzen.
Für die Parlamentarischen Versammlungen von OSZE und Europarat sollten insgesamt zehn Bundestagsabgeordnete in die Türkei reisen, ohne Hunko sind es nun nur noch neun. Neben den internationalen Beobachtern wollen die einheimischen Oppositionsparteien mehr als 600.000 Beobachter an den Wahlurnen einsetzen.
kle/ie (dpa, afp)