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Deutsche Politiker besorgt über "Agentengesetz" in Georgien

17. Mai 2024

Deutschland unterstützt Georgiens Weg in die EU. Aber ein aktueller Beschluss des Parlaments in Tiflis macht deutschen Politikern Sorgen. Soll die Zivilgesellschaft nach russischem Vorbild kontrolliert werden?

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Protestler auf den Straßen von Tiflis halten die Nationalflagge Georgiens hoch
Proteste in der Hauptstadt Tiflis gegen das "Agentengesetz" am 15.MaiBild: Davit Kachkachishvili/AA/picture alliance

Der Grünen-Politiker und Staatssekretär in Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium, Sven Giegold, möchte zu Beginn etwas Grundsätzliches sagen über Georgien. Er hat das Land in der vergangenen Woche besucht. Der DW erklärt er: "Ich habe mich ein Stück weit in Georgien verliebt. Ich habe mich wie in Europa gefühlt, als ich dort war. Es ist wunderbar, mit den Menschen dort in Kontakt zu kommen. Für viele hier in Deutschland ist Georgien weit weg, getrennt durch das Schwarze Meer.  Aber kulturell sind wir uns sehr nah."

Sven Giegold,Staatsekretär im Bundeswirtschaftsministerium, blickt in die Kamera
Sven Giegold: "Ich habe mich in Georgien wie in Europa gefühlt" Bild: Elmar Kremser/Sven Simon/picture alliance

Umstrittenes Gesetz

Aktuell sind die Meldungen aus Georgien eher beunruhigend, das weiß auch Giegold. Am Dienstag dieser Woche beschloss das Parlament in Tiflis ein umstrittenes Gesetz,  das zuvor viele tausend Menschen wochenlang auf die Straßen trieb: Organisationen und Medien, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, müssen sich in der ehemaligen Sowjetrepublik künftig bei den Behörden als Organe registrieren lassen, die "Interessen ausländischer Mächte verfolgen". Beobachter sehen darin eindeutige Parallelen zum Gesetz gegen "ausländische Agenten" in Russland. Den Behörden erlaubt es dort, massiv gegen kritische Medien, Stiftungen und unabhängige Organisationen vorzugehen.

Infografik Karte Georgien DE

"Das entfernt Georgien wieder von Europa"

Giegold sagt: "Georgien ist auf dem Weg in die Europäische Union. Die große Zahl der Bürgerinnen und Bürger möchte das. Die Wirtschaft ist offen dafür. Und dieses Gesetz entfernt jetzt Georgien vom Rechtsstand der Europäischen Union." Und weiter: "Mein Eindruck war: Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will nach Europa, lehnt deshalb dieses Gesetz ab - nicht so sehr wegen der Details, sondern wegen seines nicht-europäischen Geistes."

Geld aus Steueroasen?

Während seiner Gespräche, so Giegold, habe es grundsätzlich viel Wohlwollen gegeben. So hätten sowohl die mitreisenden deutschen Wirtschaftsvertreter als auch die georgische Seite Interesse an weiteren gegenseitigen Investitionen bekundet. Aber es gebe auch fragwürdige Initiativen der georgischen Regierung: Konkret nannte Giegold ein Gesetz, das es erleichtere, Gelder aus Steueroasen nach Georgien zu bringen. Oder auch die Beschneidung der Unabhängigkeit der Zentralbank. Vereinbart habe er mit der Regierung eine Zusammenarbeit bei den Wettbewerbsbehörden beider Länder: "Diese Behörde engagiert sich für einen intensiveren Wettbewerb, wie auch unser Bundeskartellamt. Das braucht Georgien, etwa mit Blick auf die hohen Preise in den Supermärkten. Etwas mehr Wettbewerb würde hier den Menschen sicher helfen."

Proteste in Georgien gegen "Russengesetz" dauern an

Der wichtigste Mann ist ein geheimnisvoller Milliardär

Tatsächlich verfolgt die Regierungspartei "Georgischer Traum" ein Art Schaukelpolitik zwischen Russland und der EU. Klar ist: Eine Bevölkerungsmehrheit möchte sich von Russland lösen, der angestrebte Beitritt zur EU und zur NATO steht in der Verfassung. Seit dem vergangenen Dezember hat das Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten.  Aber der entscheidende Mann hinter der Partei "Georgiens Traum", der Gründer und Milliardär Bidsina Iwanischwili, ist mit dem jetzigen Gesetz den Interessen Russland entgegen gekommen. Er verfolgt einen eher autoritären Kurs. Als das Parlament am Dienstag das Gesetz verabschiedete, versammelten sich viele zumeist junge Leute in der Innenstadt von Tiflis. Einige versuchten, Barrikaden zu überwinden und ins Parlament zu gelangen. Die Polizei trieb sie zurück. Brisant: Auch die pro-westliche Staatspräsidentin Salome Surabischwili  unterstützt den Protest, kann das Gesetz aber letztendlich nicht aufhalten.

Der deutsche Bundeskanzler sorgt sich

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Michael Roth (SPD), hielt sich diese Woche in Tiflis auf. Er sieht die heranrückenden EU-Beitrittsverhandlungen als möglichen Grund für den jetzigen Kurswechsel. Dann müsse die Regierung Reformen für mehr Rechtsstaatlichkeit und Freiheit einleiten, sagte er und fügte im Gespräch mit der "Deutschen Presse Agentur" (dpa) hinzu: "Offenbar hat man vor diesem Weg Angst und ist auch bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen." Und auch der Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz, Wolfgang Büchner, mahnt: "Wir erinnern die georgische Regierung an ihre Zusagen aus 2023, ein solches Gesetz bedingungslos zurückzuziehen. Wir teilen die Sorge, dass sich die georgische Regierung mit dem Gesetz von ihrem Kurs auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union entfernt."

Grünen-Politiker Giegold fügt dann noch hinzu: Trotz der vielen außenpolitischen Krisenherde, wie dem Krieg in Gaza und dem russischen Angriff auf die Ukraine, sei die Entwicklung Georgiens für Deutschland ein immens wichtiges Thema. Daran ändere auch der jüngste Parlamentsbeschluss nichts.