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Neue Hoffnung für die ärmsten Kranken

29. Dezember 2011

Mehr als eine Milliarde Menschen leiden an vernachlässigten oder durch Armut begünstigten Krankheiten, weil es keine hinreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt. Das deutsche Forschungsministerium will gegensteuern.

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Kinder in Somalia (Foto: dapd)
Hungrig, arm, krankBild: dapd

Millionen Menschen - vor allem in Entwicklungsländern - sterben jährlich an vernachlässigten oder durch Armut begünstigten Krankheiten, oft Infektionskrankheiten. In Deutschland war bislang das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) sowohl für die Verbesserung der medizinischen Versorgung als auch für die Förderung von einzelnen Projekten im Bereich vernachlässigte Krankheiten zuständig. Die Zuständigkeiten haben sich inzwischen verschoben: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entwickelt gerade ein neues Programm. Dort wird "die Vernetzung zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern, der Forschung dort und der Forschung in Deutschland besser koordiniert", erklärt Dr. Helge Braun, Staatssekretär im BMBF.

Die "Großen Drei"

Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids - die Forschung nach Behandlungsmöglichkeiten gegen die in der Medikamentenforschung die "Großen Drei" genannten Krankheiten wird zwar inzwischen nicht mehr vernachlässigt, doch ihre Verbreitung in Entwicklungsländern ist deutlich armutsassoziiert. Trotz vieler Anstrengungen in den vergangenen Jahren haben sie sich immer weiter ausgebreitet. Insbesondere Tuberkulose-Resistenzen sind ein zunehmendes Problem. Ein Grund für die Verbreitung von Resistenzen ist oft falscher und häufiger Gebrauch von Medikamenten. Wenn keine neuen Medikamente auf den Markt kommen, würde das weitreichende Folgen haben, warnt Oliver Moldenhauer von "Ärzte ohne Grenzen": "Man wird den resistenten Formen nicht mehr Herr werden. Die Industrie investiert sehr wenig in diesen Bereich, weil er nicht so lukrativ ist." Tuberkulose bringe jedes Jahr über anderthalb Millionen Menschen um und die Medikamente dazu seien über 40 Jahre alt. Die resistenten Formen der Krankheit führten dazu, dass die Behandlung sich von sechs Monate auf zwei Jahre verlängere. Dabei lägen die Erfolgschancen ohnehin nur bei 60 Prozent.

Mücke auf Haut (Foto: dpa)
Tödliche Gefahr: MalariaBild: picture alliance/dpa

Das Engagement der Bundesrepublik Deutschland sei deshalb wichtig, wenn auch nicht ausreichend, meint Oliver Moldenhauer. Denn Deutschland liege im internationalen Vergleich hinter seinen Möglichkeiten. "Ärzte ohne Grenzen" fordert, dass die Forschung in der BRD, die mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, "auch den Menschen in den ärmeren Ländern zugute kommt".

"Produkt Entwicklungspartnerschaften" - PDPs

Für Staatssekretär Helge Braun ist klar, dass die Medikamente in ärmeren Ländern zu einem ortsüblichen und für die Menschen dort zu einem bezahlbaren Preis auf den Markt kommen sollen. Die "Product Development Partnerships", sogenannte Produkt Entwicklungspartnerschaften (PDPs), machen das möglich. Es sind gemeinnützige Organisationen, die durch Kooperationen mit der Pharmaindustrie an der Entwicklung von Medikamenten arbeiten, um sie schnell und preiswert anzubieten. Schnell, das bedeutet in der Branche im Schnitt fünf bis zehn Jahre. Denn traditionell sind 20 bis 30 Jahre üblich. Durch moderne Netzwerkkonzepte würde, laut Staatssekretär Helge Braun, die Entwicklung beschleunigt. Denn den PDPs "stehen gute Wissenschaftler zur Verfügung, die ihre Forschungsergebnisse dort hinein geben. Andere finanzieren die weitere Arbeit. Dritte sorgen dafür, dass klinische Erprobungen bei Patienten möglich werden." Weil alle mit großem Einsatz mitarbeiten würden, so Staatssekretär Helge Braun, sei mit relativ wenig Geld eine schnelle Umsetzung möglich: von der Forschung an den Universitäten bis hin zur Krankenversorgung.

Aids-Kranke in Togo (Foto: picture alliance)
Aids-Kranke in TogoBild: picture alliance/imagestate/Impact Photos

Auslöschen der Schlafkrankheit

Die Fördermittel des BMBF konzentrieren sich auf Krankheiten, gegen die es bisher keine geeigneten Behandlungsmöglichkeiten gab. So wie zum Beispiel die Schlafkrankheit. Sie ist in Zentralafrika am weitesten verbreitet, besonders in ländlichen und ärmeren Gebieten in Kongo, Tschad, Zentralafrika und Sudan. Diese Zonen sind für die medizinische Versorgung oft schwer erreichbar, denn in weiten Teilen herrscht dort politische Unsicherheit. Die Erkrankten werden lethargisch und können sich nicht mehr selbst versorgen und werden zum Pflegefall. Die Krankheit verläuft tödlich, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Eine PDP, die einige Erfolge vorweisen kann, ist die "DNDi" ("Drugs for Neglected Diseases Initiative"). Denn noch bis vor einigen Jahren bestand die einzige verfügbare Medizin gegen die Schlafkrankheit aus Arsen: einem Gift, das schwere Nebenwirkungen verursacht. Dr. Bernard Pécoul, Arzt mit langjähriger Erfahrung in Afrika und Leiter der DNDi, zeigt sich optimistisch, denn durch die Kombination von zwei Medikamenten wurden gute Erfolge erzielt. Der Vorteil dieser Medikamente liege darin, dass sie nicht toxisch seien. Obwohl die Behandlung kompliziert sei und gute Krankenhäuser erfordere, überträfen die Ergebnisse die Nachteile.

An Malaria erkranktes Kind in Kenia (Foto: AP)
Kranke Kinder in KeniaBild: AP

Diese beiden Medikamente sind von Pharmakonzernen entwickelt, aber nicht klinisch erprobt worden, was dann zur Einstellung der Produktion geführt hatte. Die Wirksamkeit dieser Medikamente wurde aber dank durchgeführter Tests in den afrikanischen Behandlungszentren erkannt. Daraufhin erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO das Medikament zur Standardmedizin und stellte es den Erkrankten kostenlos zur Verfügung. Ein großer Erfolg für die DNDi, auch wenn sie noch ehrgeizigere Ziele anstrebt: das komplette Auslöschen der Krankheit durch die Entwicklung besserer Medikamente.  

Autorin: Lina Hoffmann
Redaktion: Katrin Ogunsade