Die deutsche Wirtschaft und der Irak
20. März 2013Als Ernst-Joachim Trapp zum ersten Mal in den Irak kam, war er 17 Jahre alt. "Damals hatte unsere Firma ihren ersten Auftrag im Irak. Mein Vater, der das Unternehmen damals geleitet hat, konnte aber kein Englisch. Ich aber hatte schon sechs Jahre Englisch in der Schule gelernt. Da nahm man mich als Dolmetscher mit."
Das war 1952. Der Irak wurde zu einem wichtigen Auftraggeber des Unternehmens: "Wir haben hunderte Kilometer Straßen, Industrieanlagen, Staudämme und vieles mehr im Irak gebaut." Die guten Geschäfte im Zweistromland endeten erst mit den UN-Sanktionen und dem ersten Krieg gegen Saddam Hussein Anfang der 1990er Jahre.
Ernst-Joachim Trapp ist heute 77 Jahre alt. Das 1872 gegründete Familienunternehmen aus Wesel in Nordrhein-Westfalen leitet er inzwischen gemeinsam mit seinem Sohn. Der Irak aber hat Trapp, der auch Vizepräsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft ist, nicht losgelassen.
Nach einer langen Pause hat der Unternehmer jetzt den Schritt zurück in den Irak gewagt: "Es geht um den Ausbau einer Düngemittelfabrik." Trapp hatte das Werk in den 80er Jahren gemeinsam mit Hochtief gebaut. Jetzt soll dort ein neues Auffangbecken für die bei der Produktion entstehenden Gipsschlämme entstehen.
Nachholbedarf im Zweistromland
"Das Potenzial des Iraks als Wirtschaftsstandort ist sehr groß", erklärt Steffen Behm, Irak-Experte der Industrie- und Handelskammer. "Es ist die am stärksten wachsende Volkswirtschaft in Nordafrika, Nah- und Mittelost." Das Land hat durch die Jahre des Embargos und die beiden Kriege großen Nachholbedarf. Ob im Öl- und Gassektor, bei der Infrastruktur oder in der Umwelttechnologie - in vielen Bereichen gibt es einen großen Modernisierungsstau. "In fast allen Sektoren gibt es Möglichkeiten", sagt Steffen Behm, "angefangen von Konsumgütern, über elektrotechnisches und medizinisches Gerät bis hin zur Bautechnik".
Auch die deutschen Unternehmen kehren langsam aber sicher auf den irakischen Markt zurück: "In den letzten fünf bis sechs Jahren", so Behm, "sehen wir einen positiven Trend." Im vergangenen Jahr exportierte die deutsche Wirtschaft Waren und Dienstleistungen für rund 1,3 Milliarden Euro in den Irak. Nach dem US-Einmarsch vor zehn Jahren lag das Exportvolumen "noch im niedrigen 100-Millionen-Bereich". Doch es gibt noch viel Luft nach oben. Das zeigt der Vergleich mit den Vorkriegszeiten. Damals, Anfang der 80er Jahre, war der Wert der deutschen Exporte noch umgerechnet rund vier Milliarden Euro.
Dass US-amerikanische oder britische Unternehmen im Irak wegen ihrer Beteiligung am Sturz Saddam Husseins bevorzugt werden, glaubt Behm nicht. Großbritannien exportierte zum Beispiel 2012 nur Waren im Wert von 350 Millionen Euro in den Irak, deutlich weniger als Deutschland.
Kein einfacher Wirtschaftsstandort
"Das Interesse der deutschen Firmen am Irak ist sehr groß", sagt Behm, "doch es gibt auch noch viele Hindernisse". Die schwierige Sicherheitslage halte viele Firmen davon ab, im Irak zu investieren. Viele Unternehmen konzentrieren sich deswegen auf den kurdischen Norden. Denn dort ist die Lage relativ ruhig. "Das ist eine gute Möglichkeit, unter einigermaßen soliden Bedingungen erste Geschäftskontakte zu knüpfen."
Ein weiteres großes Problem ist die politische Instabilität. Seit der Parlamentswahl 2010 bekämpfen sich Schiiten, Sunniten und Kurden. Der politische Dauermachtkampf, so Behm, hemme das privatwirtschaftliche Engagement aus dem Ausland. Auch die Verabschiedung wichtiger Gesetzes- und Reformvorhaben werde behindert. Ein wichtiges Beispiel sei das Ölgesetz, das die Vermarktung der Ölquellen klären soll und dessen Verabschiedung schon seit Jahren blockiert werde.
"Erst dauert's ewig, dann wird es umgeschmissen"
Der Irak, erklärt Behm, sei in großen Teilen noch immer "staatszentristisch". Rund 90 Prozent der irakischen Wirtschaft, so schätzt der IHK-Experte, werden vom Staat kontrolliert und beeinflusst. Dementsprechend lang sind die Entscheidungswege.
Auch der Bauunternehmer Ernst-Joachim Trapp beklagt die "administrative Unzulänglichkeit. Erst dauert alles ewig und dann wird es wieder umgeschmissen." Die Verhandlungen für Trapps jüngsten Irak-Auftrag begannen 2011. Der Auftrag kam schließlich anderthalb Jahre später, im September 2012. Der Bau aber hat trotzdem noch nicht begonnen.
Der Grund: Trapp wartet noch immer auf die notwendige finanzielle Absicherung des Geschäfts durch die Behörden und eine regionale Bank. Die Dauer des Verfahrens "scheint für den Irak nicht ungewöhnlich zu sein", erzählt Trapp. Unternehmerkollegen hätten ihm von ähnlichen Problemen berichtet.
Iraker galten einst als "Preußen des Orients"
Früher sei das anders gewesen: "Das hat sich sehr verändert, vor allem diese Verzögerungen und Unsicherheiten. Früher hießen die Iraker die 'Preußen des Orients'. Da war absolute Vertragstreue, es gab keinerlei Korruption, alles sehr ordentlich, überpenibel, alles sehr pedantisch. Das ist alles verschwunden. Es ist heute sehr, sehr schwierig, da weiter zu kommen."
Auch die Sicherheitslage sei ein großes Problem. "Als Unternehmer kann man sich ja kaum trauen, da Leute hinzuschicken, wenn die Gefahr besteht, dass sie entführt werden." Zum Glück sei das neue Projekt seines Unternehmens in einer relativ sicheren Region. Außerdem macht Trapp nur Planung und Beratung. Den Bau führen irakische Partner durch.
Doch auch Trapp glaubt an das Potenzial des Irak: "Wenn die politischen Verhältnisse erst einigermaßen wieder in Ordnung kommen, wird da ein großer Boom entstehen." Und da sollten die deutschen Unternehmen dabei sein.