Neue Russland-Sanktionen unerwünscht
13. September 2017"Was die Politik verursacht hat an Problemen, etwa in der Ukraine, soll die Politik auch lösen - und nicht die Wirtschaft in Mithaftung nehmen", sagte der Vorsitzende der Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau, Matthias Schepp. Die Verhängung von Sanktionen und Gegensanktionen zwischen Russland und dem Westen hätten bereits Milliardenschäden verursacht. Neue Sanktionen der USA, mit denen Schepp fest rechnet, würden, fürchtet er, der deutschen Wirtschaft schaden.
Angst vor "schweren Umsatzeinbußen"
Gemeinsam mit AHK-Präsident Rainer Seele stellte er in Moskau eine Befragung von insgesamt 193 Unternehmen vor, die sich in Russland engagieren. Ergebnis: Die deutsche Wirtschaft will sich zwar weiter stark in Russland engagieren, ist aber verunsichert angesichts der Drohung der USA, neue Sanktionen gegen Russland und seine Partner zu verhängen. "Allein die Androhung von Sanktionen ist schlecht für das Geschäft", so Rainer Seele. Einige Unternehmen würden bei weiteren Investitionen zögern.
Kein Wunder, dass die befragten Firmen weitere amerikanische Sanktionen ablehnen. Konkret antworteten 97 Prozent der Unternehmen auf die Frage: Wie beurteilen sie die neuen US Sanktionen gegen Russland? entweder mit "eindeutig negativ" oder "eher negativ". Jedes zweite Unternehmen gab an, von weiterreichenden Sanktionen der Amerikaner betroffen zu sein, zwei Drittel erwarten dadurch teilweise schwere Umsatzeinbußen.
Auf jeden Fall im Gespräch bleiben!
Also was tun, sollte US-Präsident Donald Trump der Aufforderung des Kongresses Folge leisten und die Sanktionen gegen Moskau verschärfen? Zweierlei, sagen die deutschen Unternehmer in Moskau: Zum einen mit den Amerikanern im Gespräch bleiben, um die drohenden Sanktionen vielleicht doch noch abzuwenden. Sollte dies nicht funktionieren, hoffen sie zum anderen, dass die deutsche Bundesregierung "Gegenmaßnahmen ergreift".
Rund drei Viertel der befragten Firmen äußerten sich in diesem Sinne. Ins gleich Horn stieß unlängst Bundesaußenminister Siegmar Gabriel in einem Zeitungsinterview.
Deutschland und die EU müssten europäische Unternehmen schützen, damit die Sanktionen ihnen nicht schadeten. "Es ist Zeit, über eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen zu sprechen. Davon würden wir alle profitieren", sagte Seele.
Der AHK-Präsident appelliert an den Kreml, alles zu tun, damit es nicht zu einem Handelskrieg zwischen Russland und den USA kommt. "Das würde allen Seiten schaden", so Seele.
Von Sanktionen würden US-Firmen profitieren
Die deutsche Wirtschaft empfindet die Drohung der Amerikaner, die Sanktionsschraube weiter anzuziehen, als unfair. Getroffen würden vor allem deutsche Unternehmen, nicht US-amerikanische. So haben US-Banken in den vergangenen Jahren ihren Anteil am russischen Markt ausweiten können - auf Kosten deutscher Institute, die Marktanteile verloren haben, hieß es bei der AHK in Moskau. Gleichzeitig hätten die bisherigen Sanktionen dazu geführt, dass Asiaten - insbesondere Japaner und Süd-Koreaner - ihre Position auf dem russischen Markt stärken konnten, so Matthias Schepp.
Neue US-Sanktionen würden vor allem die deutsche Energiewirtschaft treffen, etwa das Pipeline-Projekt "North Stream 2", welches russisches Gas - vorbei an der Ukraine und Polen - nach Deutschland und in die Europäische Union bringen soll. "North Stream soll auf halber Strecke verhindert werden, damit die Europäer teureres amerikanisches Flüssiggas kaufen müssen", sagt Seele. So würden US-Wirtschaftsinteressen auf Kosten deutscher und europäischer Unternehmen durchgesetzt werden," erklärt Mattias Schepp. Die Verantwortung für Europas Energiesicherheit habe ausschließlich in der Hand der Europäischen Kommission zu liegen, fordert Seele.
Ursache für die Sanktionen gegen Russland ist die Unterstützung Moskaus für die Separatisten im Osten der Ukraine sowie die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Inzwischen, so vermuten viele Vertreter der deutschen Wirtschaft in Russland, nutze Washington die Auseinandersetzung mit Moskau auch, um die Energiebelieferung Europas langfristig zu verändern: Weg vom russischen Gas und hin zu mehr Flüssiggas aus den USA.