Deutsche Einheit in Fakten
2. Oktober 2013"Wir sind das Volk!", riefen Zehntausende im Herbst 1989 bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig, der Metropole im Süden der DDR. "Das Volk" wollte das sozialistische System nicht mehr. Im November fiel die Berliner Mauer. Und am 3. Oktober 1990 hörte die "Deutsche Demokratische Republik" auf zu existieren. Die beiden deutschen Staaten, BRD und DDR, wurden geeint. Ziel war es danach, Ost und West auf das gleiche Niveau zu bringen. Eine Bilanz, 23 Jahre nach der Wiedervereinigung:
Investitionen
Etwa 1,6 Billionen Euro sind nach Einschätzung des Ifo-Instituts im Zeitraum 1990 bis 2010 in den Aufbau Ost geflossen. Ein Großteil des Geldes, etwa 70 Prozent, wurde in Sozialausgaben gesteckt. Denn nach der Wende wurden im Osten Hunderttausende arbeitslos oder in den Vorruhestand geschickt. Eine Billion, das ist eine Eins mit 12 Nullen: 1.000.000.000.000. Und das sind tausend Milliarden oder eine Million Millionen.
Infrastruktur
Rund 40 Milliarden Euro sind laut Bundesregierung in die desolate ostdeutsche Verkehrsinfrastruktur investiert worden. Insgesamt 17 Schienenverbindungen, Straßen und Wasserverkehrswege wurden gebaut. Zum Vergleich: In den elf alten Bundesländern im Westen wurden seit 1990 rund 1300 Autobahn-Kilometer neu gebaut. In den fünf, flächenmäßig viel kleineren, neuen Ländern in Ostdeutschland waren es 1000 Kilometer.
Wirtschaft
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Wert aller Güter und Dienstleistungen, die in einem Jahr erstellt werden. Das ostdeutsche BIP ist pro Einwohner laut Bundesregierung von 43 Prozent (1991) auf 71 Prozent (2011) des westdeutschen Niveaus gestiegen. Die Produktivität liegt bei 80 Prozent von der im Westen. 2012 expandierte die deutsche Wirtschaft um 0,7 Prozent, die ostdeutsche nur um 0,3 Prozent. Der Osten hat viele kleine und mittlere Unternehmen, aber kaum Großunternehmen. Der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung liegt dort bei 20 Prozent. Von den 30 großen Dax-Konzernen hat kein einziger seinen Sitz in Ostdeutschland.
Bildung
Der Osten zählt 30 Universitäten und 55 Fachhochschulen. Die Universität in Dresden gehört inzwischen zu den deutschen Elite-Universitäten. Die Qualität der ostdeutschen Hochschulen und die Qualifikation der Absolventen gelten im Vergleich zur alten Bundesrepublik als gleichwertig. Insgesamt gibt es in Deutschland 370 Hochschulen, davon etwa 200 Fachhochschulen. 2,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fließen im Osten in die Forschung. In Westdeutschland sind es 2,9 Prozent.
Exportkraft
Im Osten wurden 2011 Waren im Wert von 77 Milliarden Euro exportiert. Das sind laut Statistischen Bundesamt neun Prozent aller aus Deutschland stammenden Exporte. Der Westen exportierte zehn Mal mehr, nämlich Waren im Wert von 787 Milliarden Euro.
Arbeit
1992 war nach Einschätzung der deutschen Agentur für Arbeit fast jeder dritte erwerbsfähige Ostdeutsche arbeitslos. Seit 2005 steigt die Beschäftigung in Ostdeutschland kontinuierlich. Doch mit 10,7 Prozent im Jahr 2012 bleibt die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland fast doppelt so hoch wie in den westlichen Bundesländern, wo sie im vergangenen Jahr bei 5,9 Prozent lag.
Einkommen
Die ostdeutschen Löhne haben sich von etwa 50 Prozent des West-Niveaus (1990) auf etwa 80 Prozent erhöht. Ein Automechaniker verdient im Osten als Berufsanfänger etwa 1600 Euro brutto im Monat. Im Westen bekommt er 2000 Euro. Das Durchschnittsbruttogehalt betrug 2012 laut Statistischen Bundesamt im Osten 33.427 Euro im Jahr, im Westen 46.680 Euro.
Frauenerwerbstätigkeit
Ein Punkt, bei dem die neuen Länder die Nase vorn haben: Im Osten arbeiten zwei Drittel der Frauen Vollzeit, im Westen nur die Hälfte. Die ostdeutschen Frauen arbeiten also mehr als die westdeutschen - und sie arbeiten länger.
Kinderbetreuung
Auch auf diesem Gebiet sind die neuen Länder führend: In Ostdeutschland wird fast jedes zweite Kind in einem Kindergarten betreut. In Westdeutschland nur jedes fünfte Kind.
Wohnen
Im Osten beträgt die Miete im Durchschnitt rund 5 Euro pro Quadratmeter. Im Westen kostet der Quadratmeter im Schnitt ungefähr 7 Euro. Die Wohnflächen in den neuen und alten Bundesländern gleichen sich laut Forschungsinstitut Empirica immer weiter an. Im Westen standen den Menschen 2005 pro Kopf durchschnittlich 46 Quadratmeter zur Verfügung. Heute sind es rund 47. Im Osten stieg der Wert von 38 Quadratmetern in 2005 auf aktuell 43.
Rechtsextremismus
Rechtsextreme Einstellungen finden sich nach einer Studie der Universität Leipzig bei jungen Ostdeutschen und älteren Westdeutschen. Demnach stimmen ausländerfeindlichen Aussagen im Westen etwa 30 Prozent der Jahrgänge bis 1930 zu. Gleich hohe Werte fanden sich bei den jungen Ostdeutschen, die nach 1981 geboren wurden. Zur Erklärung führen die Experten an, dass beide Gruppen in ihrer Jugend den Zusammenbruch eines autoritären Systems erlebt haben. Dies würde zu Unsicherheit und Aggressionen gegenüber Andersartigen führen.
Identität
"Die Deutschen haben noch keine nationale Identität", meint Egon Bahr - Willy Brandts Architekt der Ostpolitik der 1970er Jahre. Bis heute behindere eine Mauer in den Köpfen den Gedanken einer einheitlichen Nation, sagt der SPD-Politiker. Das sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel etwas anders. Die Unterscheidung zwischen West- und Ostdeutschland sei in der jüngeren Generation "kein Thema mehr."