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Deutsche Chemie für Syriens Giftgas?

Alexander Drechsel19. März 2014

Syrien hat aus Deutschland Ausrüstung und Stoffe erhalten, die auch zur Chemiewaffen-Produktion benötigt werden. Die Lieferungen fallen in eine Zeit, in der einige skrupellose Firmen Geschäfte mit Diktatoren machten.

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Chemie Gefahregut, Fässer Ätzend Dioxin
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Firmen stehen im Verdacht, dem syrischen Regime bei der Chemiewaffen-Produktion geholfen zu haben. Die "Süddeutsche Zeitung" und der "Norddeutsche Rundfunk" berichten, zwischen 1982 und 1993 habe es mehr als 50 verdächtige Lieferungen aus Deutschland nach Syrien gegeben. Grundlage sei eine Liste, die die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) von Syrien erhalten habe. Demnach seien Chemikalien, teflonbeschichtete Reaktoren und Schläuche, Ventile, Steuerungsanlagen, Gas-Detektoren und eine Chemie-Waschanlage nach Syrien verkauft worden. Welche Firmen beteiligt waren, werde geheim gehalten, heißt es weiter.

Die einzige exportierte Chemikalie, die in der "Süddeutschen Zeitung" benannt wird, ist Thionylchlorid - eine schwefelhaltige Säure, die zur Produktion von Nervenkampfstoffen notwendig ist. Jedoch ist Thionylchlorid auch für die chemische Industrie ein wichtiger Stoff: Er wird etwa zur Herstellung von Pharma-Produkten, Pflanzenschutzmitteln oder von speziellen Batterien eingesetzt. Somit ist die Säure ein sogenanntes Dual-Use-Gut - das heißt, es kann für friedliche Zwecke eingesetzt oder für militärische Verwendungen genutzt werden.

"Die Chemiewaffen-Konvention und deren Mitgliedsländer kennen das potenzielle Risiko dieser speziellen Chemikalie, zugleich haben die Mitgliedsstaaten bis heute aber keine Exportbeschränkungen für diese Chemikalie beschlossen", sagt der Chemiewaffenexperte Jean Pascal Zanders. Ursache für die fehlende Regel sei, dass der Stoff für die zivile Produktion weitverbreitet sei.

Jean Pascal Zanders (Foto: Jean Pascal Zanders)
Chemiewaffen-Experte Zanders: Deutschland hat gelerntBild: Jean Pascal Zanders

Deutsches Gesetz seit 1993

Es gab jedoch zu jener Zeit, in der die nun bekannt gewordenen Exporte durchgeführt wurden, noch gar keine Chemiewaffen-Konvention. In Deutschland gilt das entsprechende Gesetz mit seinen Exportbestimmungen seit 1993; im selben Jahr endeten die jetzt bekanntgewordenen Lieferungen nach Syrien. Seit 1993 ist in Deutschland die Ausfuhr einiger weniger Chemikalien verboten. Die Ausfuhr vieler anderer Stoffe, die auch zur Kampfstoff-Produktion verwendet werden können, wird staatlich kontrolliert und muss genehmigt werden. Für Thionylchlorid besteht in Deutschland - wie für viele andere Stoffe auch - derzeit eine allgemeine Genehmigung zur Ausfuhr.

Problematische Lieferungen in den 80er-Jahren

Aber die verdächtigen Geschäfte fallen in eine brisante Zeit. In den 80er-Jahren hatten einige deutsche Unternehmen keine Skrupel, Stoffe und Bauteile für Massenvernichtungswaffen an zwielichtige Gestalten zu verkaufen: Iraks Diktator Saddam Hussein oder Libyens Revolutionsführer Mummar al-Gaddafi zählten dazu.

Im Januar 1989 flog eins der Geschäfte auf und setzte die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl international stark unter Druck. Zwei Journalisten der "New York Times" enthüllten, dass die deutsche Firma Imhausen-Chemie an Gaddafi eine Anlage zur Produktion der Chemiewaffe Senfgas und von Nervenkampfstoffen verkauft hatten. "Auschwitz in the Sand" titelte die US-Zeitung seinerzeit. Etwa ein Jahr später wurden mehrere Manager wegen des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetzes zu Haftstrafen verurteilt. Heute ist klar, dass Libyen tatsächlich mehrere Tonnen Senfgas besaß, die mittlerweile aber zerstört sind.

Chemiefabrik in Rabta Lybien (Foto: dpa)
Im libyschen Rabta wurde Senfgas produziertBild: picture-alliance/dpa

Was wußte der deutsche Geheimdienst?

Die damalige Bundesregierung geriet vor allem deshalb unter Druck, weil der deutsche Auslandsgeheimdienst, der Bundesnachrichtendienst (BND) bereits 1985 von der "Giftgas-Fabrik in Rabta" erfahren haben soll. Laut "Süddeutscher Zeitung" steht auch im Fall Syriens der BND im Verdacht, bereits Mitte der 80er-Jahre mehr gewusst zu haben.

Deutschland BND Pullach (Foto: dpa)
Was wusste der BND von den Chemiegeschäften?Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland hat gelernt

Doch Deutschland habe aus diesem und anderen Fällen gelernt, ist sich der aus Belgien stammende Fachmann Zanders sicher: "Soweit ich es aus den vergangenen 15 Jahren heraus beurteilen kann, waren Deutschland und andere EU-Mitglieder aktive Befürworter der Chemiewaffen- und der Biowaffen-Konvention." Auch die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, dass Deutschland inzwischen die Kontrollen für kritische Exporte verschärft habe: So gelte die zuständige Behörde "nun als echter Kontrolleur". Ebenso habe sich die Zahl der Mitarbeiter in der verantwortlichen Stelle beim deutschen Zoll vervierfacht. Sie würden selbst kleinste Vergehen ahnden.

Gleichwohl ist es nicht das erste Mal, dass Deutschland im Verdacht steht, einen Beitrag zur syrischen Chemiewaffen-Produktion geleistet zu haben. Im vergangenen September bestätigte die Bundesregierung, dass 2002/2003 und 2005/2006 Chemikalien nach Syrien exportiert wurden, die zur Herstellung des Nervengifts Sarin eingesetzt werden können. Aber auch bei jenen Stoffen handelte es sich um Dual-Use-Güter, die aus Deutschland ausgeführt werden dürfen. Denn sie können ebenso in der Ölindustrie wie auch zur Produktion von Zahnpasta verwendet werden.