Deutsche Bank ringt um neue Strategie
24. April 2015Die Auguren und Kaffeesatzleser der Bankenbranche haben Hochkonjunktur, wenn es um die Zukunft des größten deutschen Geldhauses geht. Die Deutsche Bank will sich neu erfinden. Am Freitag (24.04.2015) soll der Vorstand dem Aufsichtsrat bei einer Sondersitzung einen entsprechenden Strategieplan vorlegen.
Im Zentrum der Spekulationen um diesen Plan steht die Postbank. Seit Herbst wird über die Zukunft der Bonner Tochter gerätselt. Sie gehört seit 2010 zum Deutsche-Bank-Konzern. Dem Vernehmen nach werden aktuell noch zwei Varianten diskutiert: Die Aufspaltung des Konzerns in eine Unternehmer- und eine Privatkundenbank inklusive Postbank oder ein Verkauf der Postbank.
Warten auf den großen Wurf
"Ich habe den Verdacht, man wird vom Vorstand mehr Aktivitäten erwarten, das heißt also über den Verkauf der Postbank hinaus noch weitere Entscheidungen", sagt der Bankenexperte Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim im Gespräch mit der DW über die gegenwärtige Debatte. Ziel der neuen Strategie müsse deshalb sein "die Kapitalmärkte noch mehr zu überraschen, um zu zeigen, schaut, wir sind aktiv. Wir leisten etwas."
Für die 14.800 Beschäftigten der "gelben" Bank, wie die Postbank auch intern bei der "blauen" Deutschen Bank gerne genannt wird, ist es eine nervenaufreibende Hängepartie - zumal auch die Tarifverhandlungen bei der Postbank stocken und dort seit Montag gestreikt wird.
Streik bei der Postbank
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert 5,5 Prozent Einkommenssteigerungen für die Filialmitarbeiter. In erster Linie dreht sich der Tarifkonflikt aber um einen dauerhaften Kündigungsschutz. In einer Urabstimmung hatten nach Gewerkschaftsangaben fast 95 Prozent der Mitglieder für einen unbefristeten Ausstand gestimmt, um das Thema Job-Sicherheit durchzuboxen. Die Tarifverhandlungen laufen schon länger, das Thema Kündigungsschutz hat nun aber durch die Strategiedebatte im Mutterkonzern zusätzliche Dynamik entfaltet.
Viele der Postbank-Beschäftigten sind allerdings ohnehin Beamte und damit unkündbar. Die Postbank hat wiederholt erklärt, ein genereller Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen sei angesichts des anhaltenden Drucks auf die Margen sowie des Strukturwandels in der Branche nicht umsetzbar. Soll heißen: Ein dauerhafter Kündigungsschutz würde den Preis mindern, den Interessenten zu zahlen bereit wären. Als potentielle Käufer werden immer wieder die spanische Gruppe Santander oder BNP Paribas aus Frankreich genannt. Für beide könnte die Übernahme die Präsenz in Deutschland deutlich erhöhen.
Drohende Verluste
Welchen Preis die Deutsche Bank für ihre Tochter Postbank erzielen könnte, ist unklar. Laut "Wirtschaftswoche" bewertet die Deutsche Bank ihren Anteil mit sechs Milliarden Euro - ungefähr genau so viel, wie sie einst beim Erwerb bezahlt hat. Insider gingen aber von maximal vier Milliarden aus - etwa wegen der Altlasten der Postbank von elf Milliarden Euro. "Ohne großen Abschlag zum Buchwert wird es schwierig sein, die Postbank zu verkaufen", zitiert die "Süddeutsche Zeitung" einen ungenannten Investmentbanker, der auf den Verkauf von Banken spezialisiert ist. "Alle internationalen Käufer werden sich fragen, was mache ich besser als die Deutsche Bank, und da wird ihnen vermutlich wenig einfallen."
Ob es zum Verkauf der Postbank kommt und wie sich Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bank schließlich entscheiden werden, bleibe abzuwarten, meint Hans-Peter Burghof. "Ich bin als Bankprofessor der Ansicht, eine Bank sollte ruhig breit aufgestellt sein, damit sie in ihrem Geschäftsmodell gut diversifiziert ist. Dieses Spannungsverhältnis zwischen unterschiedlichen Unternehmenskulturen muss man auch aushalten können."
Radikale Schrumpfkur
Werden am Freitag die Weichen für eine Abtrennung gestellt, wäre dies Teil einer radikalen Schrumpfkur, die die Renditen des Geldinstituts steigern soll. Derzeit tanzt die Deutsche Bank als Universalbank auf allen Hochzeiten. Sie bietet weltweit als Investmentbank für Kapitalmarktgeschäfte über die Vermögensverwaltung für die reiche Klientel bis hin zum Privatkundengeschäft für die breite Masse alle Dienstleistungen an. Gegenüber den privaten Kunden tritt sie dabei mit der Postbank und auch mit der eigenen Stammmarke auf.
Deshalb werden in diesem Bereich die größten Veränderungen erwartet. Aber auch wenn die Postbank abgestoßen werde, sei das für die Beschäftigten in den "blauen" Filialen kein Grund aufzuatmen, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Insider. Denn dort drohten mehr Stellen wegzufallen als bisher geplant. Geredet werde im Rahmen der neuen Strategie über eine Schließung von bis zu einem Drittel der 700 Filialen in Deutschland, die tausende Arbeitsplätze kosten dürfte.
Investmentbanking bleibt nicht verschont
Selbst im Investmentbanking wird der geplante Umbau wohl Spuren hinterlassen. Der "Welt am Sonntag" zufolge wird es auch in diesem Bereich stärkere Einschnitte geben als bislang gedacht. Das Geschäftsvolumen der Sparte könne um bis zu 200 Milliarden Euro reduziert werden, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Finanzkreise. Bislang sei von rund 150 Milliarden Euro die Rede gewesen. Reuters hatte kürzlich aus Finanzkreisen erfahren, dass die Sparte sich auf Einschnitte einstellen müsse, weil viele Geschäfte zu viel Kapital verschlingen.
Die Deutsche Bank hält sich allen Spekulationen gegenüber bedeckt. Ein Sprecher bekräftigte, dass die Ergebnisse der laufenden Strategie-Debatte noch vor Ende Juni veröffentlicht werden sollen. Für den Vorstand geht dann auch darum, wie er die Mitarbeiter wieder hinter sich bringen kann.
Motivation der Mitarbeiter
"Das ist der Punkt, auf den ich am meisten gespannt bin", sagt Bankenexperte Burghof. Er fragt sich, mit welcher Vision die Belegschaft dazu veranlasst werden könne, wieder ihr Herzblut zu geben, nachdem in letzter Zeit sehr viel Unsicherheit entstanden sei. Vor allem müsse die Bank endlich zu einer Kontinuität kommen. "Denn der angepeilte Kulturwandel bedeutet ja auch, dass die Bank als langfristiger und verlässlicher Partner eingeschätzt wird. Und das ist natürlich mit kurzfristigen Strategiewechseln nicht zu erreichen."