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Deutsche Autohersteller zu abhängig von China?

Klaus Ulrich
25. Oktober 2020

Jedes dritte deutsche Auto wird in China verkauft. Der weltgrößte Automarkt entwickelt sich in der Corona-Krise mehr und mehr zum Rettungsanker für die Hersteller. Doch dadurch erwachsen auch Risiken.

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China Guanhzhou | Mercedes-Benz - Autohaus von Mercedes-Benz in China
Bild: Wenjun Chen/dpa/picture-alliance

"Die deutschen Autohersteller sind sehr abhängig von China", sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) gegenüber der DW. Im letzten Jahr habe beispielsweise VW 40 Prozent seiner Fahrzeuge in China abgesetzt. Die Abhängigkeit sei noch gestiegen,  da die Märkte in den USA und Europa viel tiefer in der Corona-Krise steckten als China. "Chinas Automarkt erholt sich gerade und wird Ende des Jahres nur noch ein Minus von fünf Prozent oder weniger aufweisen, andere Märkte müssen viel größere Einbußen verkraften", so Bratzel.

Die Abhängigkeit hat für den Experten zwei Seiten: Einerseits sei positiv zu bewerten, dass China "nicht nur die deutsche, sondern sogar die globale Automobilbranche im Moment teilweise rettet, weil dort der Markt wieder anzieht".

Mittel- und langfristig sei China jedoch kritischer zu sehen, da es politisch ein größeres Machtstreben in China gebe. "Eine größere Abhängigkeit eines Herstellers vom chinesischen Markt macht ihn auch ein Stück weit erpressbar", sagt Bratzel. Da sei die Balance nicht ganz einfach, denn China könne auf die größten Wachstumsraten zurückblicken und werde auch in Zukunft der größte Einzelmarkt bleiben. "Deshalb kann man sich nicht einfach zurückziehen." Nach Bratzels Einschätzung sollten die Hersteller eine ausgeglichene Positionierung in den globalen Märkten anstreben.

China BMW-Showroom in Guangzhou
BMW i8 Sportwagen mit E-Antrieb bei einer Präsentation in Guangzhou 2019Bild: picture-alliance/dpa/MAXPPP/VCG

Aufatmen bei BMW, Audi und Daimler

Als Anfang Oktober die aktuellen Quartalszahlen  bekannt wurden, war die Erleichterung gerade in den Konzernzentralen von Audi, BMW und Daimler groß. Die Gewinnkurve zeigte wieder deutlich nach oben. Drei Monate zuvor hatten alle drei deutschen Premium-Hersteller durch die Corona-Krise Einbußen von mehr als 20 Prozent hinnehmen müssen.

Am besten lief es seitdem für BMW. Die Münchner kamen von Juli bis September zusammen mit ihrer Tochter Mini auf ein Absatz-Plus von 8,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Treiber war vor allem - man ahnt es - das um fast ein Drittel stärkere China-Geschäft. Ähnliche Tendenzen meldeten die VW-Tochter Audi und der Daimler-Konzern mit seiner Nobelmarke Mercedes-Benz.

Chinas Schlüsselrolle für die Autoindustrie

Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research (CAR) sieht eine Schlüsselrolle Chinas bei der Erholung der Automobilwirtschaft. "China wird wieder die Lokomotive der Automobilwirtschaft sein - wie bereits nach der Finanzkrise", so Dudenhöffer. Der Erholung auf dem heimischen Kontinent misst er dagegen noch keine so große Bedeutung zu.

Weltpremiere der neuen S-Klasse von Mercedes-Benz
Gefragte Luxuskarosse in China: Innenraum der neuen S-Klasse von Mercedes-BenzBild: picture-alliance/dpa/S. Stein

Daimler Vorstandschef Ola Källenius rechnet noch lange mit einer hohen Nachfrage seiner Kundschaft in China. In den letzten zehn Jahren sei der Markt dort dramatisch gewachsen, erklärte Källenius kürzlich bei einer Videokonferenz mit Wirtschaftsjournalisten. "Wir erwarten in den nächsten zehn Jahren das größte Wachstum auch in China."

Neben der immer noch geringen Fahrzeugdichte in dem Land mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern nütze der Marke mit dem Stern der wachsende Wohlstand der Mittelschicht. So sei die sehr schnelle Erholung der Nachfrage nach Premiumautos in der Corona-Krise in China auch damit zu erklären, dass Käufer ihr Geld nicht für teuren Urlaub im Ausland ausgeben konnten und sich stattdessen ein neues Auto leisteten.

Peking Auto China 2020 Automesse
Die Automesse in Peking fand trotz Corona auch in diesem Jahr statt Bild: Greg Baker/AFP/Getty Images

Keine zu große Abhängigkeit

Bedenken über eine zu große Abhängigkeit von China, wo die deutsche Autoindustrie etwa jedes dritte Fahrzeug verkauft, trat Källenius entgegen. "Es wäre eine falsche Entscheidung zu sagen, wir sind zu abhängig von China - da würden uns so viele Chancen entgehen."

"China hat während der Corona-Pandemie deutlich an Bedeutung für die deutschen Autobauer gewonnen", analysierte Ferdinand Dudenhöffer Ende September anlässlich der "Auto China 2020" in Peking - übrigens die einzige der weltweit größten Automessen, die wegen Corona nicht abgesagt, sondern nur verschoben worden war.

Risikobereitschaft notwendig

Im Hinblick auf den hohen Verkaufsanteil von 40 Prozent aller seiner globalen Verkäufe, den der VW-Konzern auch dieses Jahr allein in China verzeichnet, erklärte Dudenhöffer, eine starke Abhängigkeit von einer großen Region sei immer ein Risiko. "Die Frage ist aber, welches Risiko ist größer: Die Abhängigkeit von China oder in China zum Nischenanbieter zu werden?"

China Donald Trump und Xi Jinping
Donald Trump (r.) und der chinesische Präsident Xi Jinping (09.11.2017)Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Wong

China habe großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit Deutschland. Risiken könnten "handhabbar" und "tragbar" gemacht werden, findet der Experte. Ein viel größeres Risiko seien die USA unter US-Präsident Donald Trump, weil sie unberechenbar seien: "Wenn Trump einen schlechten Tag hat und ein paar Wählerstimmen braucht, erhebt er über Nacht Zölle gegenüber der deutschen Autoindustrie." Seine Zollkriege hätten deutschen Autoherstellern schon Milliarden-Verluste beschert. 

Liberalisierung auf Druck von Donald Trump

Trump habe aber auch zur Liberalisierung des chinesischen Marktes beigetragen, betont CAM-Chef Stefan Bratzel. Dort laufe die Joint-Venture-Regelung aus, nach der ausländische Investoren in China nur Geschäfte machen durften, wenn sie sich mit einheimischen Unternehmen zusammentaten. "Das war ein Zwang, aber diese Regelung wurde - um mal was Positives zu Trump zu sagen - auf Druck von Trump angepasst", so Bratzel.

Der US-Autobauer Tesla  unterliege beispielsweise als eines der ersten Unternehmen nicht mehr dieser Regel. Die im Januar eröffnete Tesla-Fabrik in Shanghai sei in Eigenregie von den Amerikanern gebaut worden.

China will Exportweltmeister bleiben

"Außerdem will die chinesische Regierung ", ist sich Bratzel sicher, "dass die heimischen Hersteller und Zulieferer nicht nur in China stärker werden, sondern auch im internationalen Wettbewerb eine wichtige Rolle spielen". Theoretisch könne das zwar der Markt regeln, aber nur unter fairen politischen Bedingungen.

Dazu müsse sich China den internationalen Handelsregeln unterwerfen. Unter dem Druck der US-Regierung hätten die chinesischen Machthaber in dieser Beziehung bereits etwas eingelenkt, glaubt Bratzel. "China will ja auch seine Produkte nach Europa und Amerika exportieren und dabei geht es nicht nur um die Autoindustrie."