Deutsch-russischer Regisseur in Russland verhaftet
6. September 2024Der Zugriff erfolgte am 24. August in der Region Smolensk. Seitdem befindet sich der Filmregisseur und Schriftsteller in einem Haftzentrum für Ausländer, wie Andrei Nekrassow der DW telefonisch mitteilte. Der 66 Jahre alte gebürtige Russe besitzt ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Die deutsche Botschaft in Moskau stehe mit Nekrassow in Kontakt, erklärte das Auswärtige Amt auf DW-Anfrage.
Wie Nekrassow berichtet, hatte er an einem Film in der Region Smolensk gearbeitet. Das Bildmaterial sollte Teil eines Forschungsprojekts über Russland sein. Der Regisseur konnte keine Einzelheiten nennen über den Film oder den Ort, wo er festgenommen wurde. Zivile Beamte des Geheimdienstes FSB sollen ihn festgenommen haben. Der Grund: Nekrassow soll in der Nähe eines FSB-Gebäudes gefilmt haben.
Der Regisseur befürchtet die Verlängerung seiner U-Haft
Ein Gericht erklärte den Regisseur für schuldig, gegen den Verwaltungsartikel über "illegale berufliche Tätigkeit" verstoßen zu haben. Nekrassow soll deshalb bis zu 90 Tage in einer Haftanstalt für Ausländer einsitzen. Er hatte vor Gericht erklärt, nichts vom FSB-Gebäude zu wissen und schon gar nicht vorgehabt zu haben, es zu filmen.
Nach Angaben eines Anwalts könnte der deutsch-russische Regisseur auch nach Artikel 18.10 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten wegen illegaler Arbeitstätigkeit in Russland strafrechtlich verfolgt werden. Die höchste Sanktion dafür ist eine Geldstrafe und die zwangsweise Ausweisung aus dem Land. In einem solchen Fall könne das Gericht einen weiteren 90-tägigen Arrest verhängen, um die Ausweisung des Straftäters vorzubereiten und ein Einreiseverbot in die Russische Föderation für fünf Jahre zu vollstrecken, so der Anwalt.
Nekrassow befürchtet nun, dass seine Haftzeit entsprechend verlängert werden könnte. Der Anwalt bestätigt diese Möglichkeit im Gespräch mit der DW. Das könne passieren, wenn die Ausweisung nicht umgesetzt werden könne, weil es keine Direkt- oder Transitflüge gebe.
Keinen Kontakt mehr zu Nekrassow
Nekrassow beschreibt seine Haftbedingungen als vergleichbar mit denen im Gefängnis: ein hartes Bett, vergitterte Fenster, die Zelle bekomme kaum Sonnenlicht ab und wegen der Renovierung des Geländes gebe es keine Spaziergänge. Allerdings verhielten sich die Mitarbeitenden der Haftanstalt menschlich und würden "so viel helfen, wie sie können". Weitere Fragen beantwortete der Filmemacher nicht - er konnte nur mitteilen, dass sein Telefon konfisziert wurde. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels war er nicht mehr erreichbar.
Tarkowskijs Assistent und eine Doku über Litwinenko
Andrei Nekrassow wurde 1958 in St. Petersburg geboren. In den 1970er Jahren heiratete er eine Deutsche und wanderte nach Deutschland aus, wo er als Assistent von Regisseur Andrei Tarkowskij am Set des Films "Opfer" arbeitete. In Europa und Russland drehte er mehrere Spiel- und Dokumentarfilme, darunter "Rebellion. Die Affäre Litwinenko" über die Vergiftung eines ehemaligen FSB-Offiziers in London. Der Hauptprotagonist des Filmes - Alexander Litwinenko - hatte die russischen Geheimdienste beschuldigt, 1999 die Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Russland und andere Terroranschläge organisiert zu haben. Nekrassow hat auch Filme über den Krieg in Tschetschenien und den russisch-georgischen Krieg gedreht. Er ist Preisträger internationaler Film- und Literaturpreise.