Deutsch-polnische "Versöhnungsmesse"
20. November 2014"Dieser Friedensgruß war die Ansage einer neuen Ordnung im Nachkriegseuropa. Das war die Wende. Ohne Kreisau würde unser Europa wahrscheinlich trister aussehen", erzählt der emeritierte Erzbischof von Oppeln, Alfons Nossol, der damals die "Versöhnungsmesse" zelebrierte. Der gebürtige Schlesier war Initiator dieses Ereignisses. Im Sommer 1989, während der Vorbereitungen zum Besuch des Bundeskanzlers in Polen, traf er sich mit Kohl und lud ihn zu einem Gottesdienst ein.
Das Treffen fand in Kreisau statt – ein kleines Dorf bei Schweidnitz (Świdnica) in Niederschlesien mit einer großen historischen Bedeutung. Hier stand das Herrenhaus, das einst dem Schöpfer des Kreisauer Kreises, Helmut James von Moltke, gehörte. Der Kreisauer Kreis war eine der wichtigsten Widerstandsgruppen im Nazi-Regime.
Polnische Ängste
"Ich habe gesehen, wie sehr Kanzler Kohl bewegt war, als wir das Friedenszeichen austauschten, wie authentisch seine Rührung war. Ich habe gesehen, dass es auch für ihn ein großer Tag ist", erinnerte sich der inzwischen verstorbene Premierminister Tadeusz Mazowiecki.
Es waren gute Voraussetzungen für die schwierigen Gespräche, die beide Länder gerade begonnen hatten: Polen war erst seit einem Monat vom ersten nicht-kommunistischen Ministerpräsident seit 1945 regiert und in Deutschland war drei Tage zuvor die Mauer gefallen; das Land stand vor der Herausforderung der Wiedervereinigung.
Die führenden intellektuellen Köpfe der polnischen Bürgerbewegung standen nicht nur einer Wiedervereinigung Deutschlands positiv gegenüber, sondern sahen darin eine notwendige Bedingung für die zukünftige West-Integration Polens. "Aber auf der anderen Seite gab es in der polnischen Gesellschaft auch Ängste vor dem starken Deutschland. Es gab Bedenken, ob irgendwelche revisionistische Tendenzen nicht beginnen werden, eine Rolle in der deutschen Politik zu spielen“, fügte Mazowiecki in dem 2009 gegebenen DW-Interview hinzu.
Vergessen im Schatten der Mauer
"Die Versöhnungsmesse hatte eine unglaublich starke emotionale Ladung“, betont auch Waldemar Czachur aus der Universität Warschau. Aber dadurch, dass die Mauer gerade zu dieser Zeit gefallen war, habe sie Kreisau seines großen historischen Symbolpotenzials beraubt, erklärt er.
"Über all diese Jahre musste ich immer wieder den Deutschen erklären, was die Versöhnungsmesse war“, bestätigt auch Annemarie Franke – von 2004 bis 2013 Geschäftsführerin der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung. "In den Hauptnachrichten gab es Informationen darüber, aber dadurch, dass alle nach Berlin und in Richtung der deutsch-deutschen Grenze schauten, wurde die Versöhnungsmesse nicht im Gedächtnis bewahrt." In Polen wird sie immer noch als ein wichtiges Ereignis wahrgenommen, in Deutschland ist sie dagegen praktisch unbekannt.
Zu einer bleibenden Erinnerung an die Feier des 25. Jahrestages der Versöhnungsmesse in Kreisau soll eine Ausstellung werden, die am 20. November von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der polnischen Ministerpräsidentin Ewa Kopacz offiziell eröffnet worden ist. Einer der Kuratoren dieser Ausstellung, Politologe Kazimierz Wóycicki aus der Universität Warschau, hat keine Zweifel, dass "Kreisau bekannt ist, aber man braucht zu erklären und daran zu erinnern, was es ist”.