Gefahren fürs Baby durch das RS-Virus
7. November 2022Das Respiratorische Synzytialvirus (RSV) wird durch Tröpfchen beim Niesen oder Husten übertragen und befällt die Atemwege. Die Symptome ähneln denen einer Erkältung: eine laufende Nase, Appetitlosigkeit, Husten, Niesen und Fieber.
Die meisten Menschen erholen sich nach ein paar Wochen wieder. Bei Säuglingen und kleinen Kindern aber und bei älteren Erwachsenen ist das Risiko eines schlimmen Krankheitsverlaufs um einiges größer.
Gerade in den Wintermonaten bis in den April hinein breitet sich die Krankheit wellenförmig aus und lässt die Fallzahlen in die Höhe schießen. Von den Millionen von Säuglingen, die sich jedes Jahr mit dem Virus infizieren, müssen etwa zwei bis drei Prozent in ein Krankenhaus gebracht werden.
In wohlhabenden Ländern sei die Sterblichkeitsrate jedoch äußerst niedrig, sagt Christopher Green, Dozent und Berater für Infektionskrankheiten an der Universität Birmingham im Vereinigten Königreich. Vor allem für Frühgeborene könne die Krankheit "ziemlich schrecklich" sein, weil ihre Atemwege eng seien und sie noch keine ausreichende Immunität gegen das Virus aufgebaut hätten, so Green.
In ärmeren Ländern, in denen es für Babys oft kaum Möglichkeiten für eine angemessene Behandlung und Versorgung gibt, sind die Risiken weit höher als in wohlhabenderen Gesellschaften. "Man schätzt, dass etwa 99 Prozent aller Todesfälle, die bei Kleinkindern aufgrund von RSV vorkommen, in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auftreten", erklärt Christopher Chiu, Professor für Infektionskrankheiten am Imperial College London.
RSV ist vor allem für kleine Kinder und Ältere gefährlich
Menschen mit Asthma, COPD oder Herzinsuffizienz haben ein höheres Risiko, ernsthaft zu erkranken. Mit zunehmendem Alter steigt die Gefahr, ernsthafte Symptome zu entwickeln, ebenfalls. Das Immunsystem ist bei diesen Personen meist geschwächt. Dadurch ist es für ihre Körper schwieriger, die Infektion zu bekämpfen.
"Bei Heranwachsenden, die Antikörper gegen das Virus aufbauen, ähnelt die Atemwegserkrankung eher einer gewöhnlichen Erkältung", sagt Green. Die meisten Infektionen mit dem RS-Virus gibt es denn auch im Herbst und im Winter, zur typischen Erkältungszeit.
Warum breitet sich das Virus in den USA zurzeit so schnell aus?
"Die RSV-Saison ist während der COVID-Pandemie in den letzten Jahren recht atypisch verlaufen. Im Jahr 2020 und in einigen Regionen auch 2021 gab es praktisch keine RSV-Infektionen", so Christopher Chiu. Jetzt steigen die Zahlen wieder. Dafür sieht Chiu den Verlauf der Pandemie und sinkende Corona-Zahlen als eine Ursache.
"Die Menschen haben sich zunächst sozial isoliert, immer wieder ihre Hände gewaschen und Masken getragen, sodass vor allem die Babys, die in dieser Zeit geboren wurden, kaum mit RSV in Berührung gekommen sind", beschreibt Chiu die Situation.
"In diesem Jahr hat sich die Lage in den meisten Regionen entspannt und es ist wieder ein Stück Normalität eingetreten. Es gibt eine große Gruppe von Menschen die noch keine Immunität gegen RSV aufgebaut hat." Die können sich jetzt eher anstecken.
Richard Pebody, Leiter des Teams für hochgefährliche Krankheitserreger beim WHO-Regionalbüro für Europa, erklärt, dass RSV in Europa zwar auf niedrigem Niveau zirkuliere, es bisher aber keine großen Ansteckungswellen gegeben habe. "Allerdings", so Pebody, "ist jetzt die Zeit, in der die Fallzahlen wieder steigen, und es kann durchaus sein, dass RSV zusammen mit Influenza und COVID in Umlauf gerät."
Auch Chiu ist davon überzeugt, dass es im Laufe des Winters so wie in den USA auch in Europa zu einem Anstieg von RSV-Infektionen kommen könnte.
Gibt es einen Impfstoff gegen RSV?
Derzeit gibt es keinen Impfstoff gegen RSV. In den USA war bereits in den 1960er-Jahren ein RSV-Impfstoff entwickelt worden. Die Impfung bewirkte allerdings das Gegenteil von dem, was sie sollte. Sie verschlimmerte die Krankheit bei den Kindern, die geimpft worden waren. Einige erlitten beispielsweise Lungenerkrankungen. 80 Prozent mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, zwei Kinder starben.Da das Virus ausschließlich Menschen infiziert, sei es nicht möglich gewesen, Medikamente und Impfstoffe anhand von Tiermodellen zu entwickeln, wie es bei Präparaten gegen Viruskrankheiten üblich ist, gibt Chiu zu bedenken. Das Virus habe darüber hinaus Wege gefunden, das Immunsystem so zu verändern, dass sich Menschen im Laufe ihres Lebens erneut anstecken können.
Eine einmal überstandene Infektion bedeutet also keine dauerhafte Immunität gegen das Virus. "Es ist schwierig zu verstehen, welche Faktoren stimuliert werden müssen, damit der Körper einen ausreichenden Schutz aufbauen kann", erklärt Chiu. "In den letzten Jahren haben wir überhaupt erst angefangen, die Details zu begreifen."
In jüngsten Studien haben Impfstoffe der Pharmaunternehmen Pfizer und GSK positiv abgeschnitten und eine Wirksamkeit gegen das Virus von 80 Prozent gezeigt. Diese Impfstoffe könnten in den nächsten drei bis fünf Jahren zugelassen werden. Sie eignen sich allerdings eher für die Impfung von älteren Menschen und Schwangeren, denn seitens der Forscher gibt es ethische Bedenken, Impfstoffe und Medikamente an Säuglingen zu testen.
Auch am Einsatz von Antikörpern wird geforscht. In Studien seien derartige Therapien bereits erfolgreich bei Frühgeborenen eingesetzt worden und hätten diese vor schweren RSV-Fällen geschützt, so Chiu. Aber diese seien eben noch nicht allgemein verfügbar.
Wie viele Kinder sterben pro Jahr an RSV?
Schätzungen zufolge werden weltweit jedes Jahr etwa 3,2 Millionen Kinder wegen RSV in Krankenhäusern behandelt, etwa 120.000 Säuglinge versterben an RSV. Eine Anfang 2022 veröffentlichte Studie der Boston University of Medicine geht allerdings davon aus, dass die Zahl wesentlich höher ist, denn sie basiert auf Erhebungen, die vor allem in Ländern mit hohem Einkommen und in Krankenhäusern durchgeführt wurden.
Die Todesfälle, die es außerhalb von Krankenhäusern gegeben hat, waren dabei nicht berücksichtigt. Um einen Eindruck davon zu bekommen, um wie viele Kinder es sich dabei handeln könnte, haben sich die Forschenden mit Mitarbeitenden in Leichenhäusern in Lusaka, Sambia, zusammengetan und rund 2200 an RSV verstorbene Säuglinge untersucht. Dies entspricht etwa 80 Prozent der Todesfälle, die es in Lusaka zwischen 2017 und August 2020 gegeben hat.
Die Studie zeigte, dass RSV für 4,7 Prozent aller Todesfälle außerhalb von Krankenhäusern verantwortlich war. Das legt nahe, dass die modellierten globalen Sterblichkeitsraten wahrscheinlich niedriger sind als die tatsächlichen Zahlen.
Die Winterzeit, in der sich RSV-Infektionen meist häufen, hat auf der Nordhalbkugel gerade erst begonnen. Deshalb rät Christopher Chiu, die Regeln, die während der Corona-Pandemie galten, auch weiterhin zu beherzigen: das Tragen von Masken, Abstand zu anderen Menschen und regelmäßiges Händewaschen.